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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Versprechungen, von denen ich doch keine einhalte. Dieses Mal möchte ich dir nichts versprechen, Maya. Nur … nur fragen, ob … ob du dir vorstellen könntest, dass wir einander verzeihen. Nicht heute, nicht morgen, aber vielleicht übermorgen.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Maya ehrlich nach kurzer Bedenkzeit.
    »Ich auch nicht«, gab Ralph mit entwaffnender Offenheit zurück. »Und doch habe ich die Hoffnung, dass es uns gelingen könnte. Irgendwann.«
    Maya blieb ihm eine Antwort schuldig, aber ihre Miene zeigte weder Zorn noch Abwehr, vielmehr Ratlosigkeit. Er schien zu zögern, fügte dann schüchtern hinzu: »Kann … kann ich ihn sehen?«
    »Natürlich.« Mit gerafften Röcken stieg Maya vor ihm die Treppen hinauf, wandte sich im obersten Stockwerk nach rechts, öffnete behutsam die Tür und legte die Finger an die Lippen.
    Es war ein lichter Raum, Wickelkommode und Schränkchen weiß gestrichen, ebenso wie das offene Regal mit den Rankenschnitzereien, in dem sich bereits jetzt Stoffpuppen, zwei Bälle, eine Kuh aus bunten Stoffflicken und ein Esel aus grauem Samt neben Schachteln drängten, in denen Jonathans alte Zinnsoldaten schliefen, hölzerne Bauklötze, bemalte Tierfiguren eines Bauernhofes und eine Eisenbahn, deren Wagen in immer neuen Kombinationen hinter die Lokomotive gehängt werden konnten, aufbewahrt wurden. In einer Ecke stand ein Schaukelpferd, nicht mehr neu, aber frisch hergerichtet, und ein Hochstuhl mit Lederpolster; in der anderen ein Sessel aus Rohrgeflecht mit dazugehörigem runden Tisch. Die gelben, berüschten Vorhänge vor dem Fenster versprachen selbst dann einen Hauch von Sonnenlicht zu verbreiten, wenn es draußen trüb und nasskalt sein mochte.
    Auf Zehenspitzen schlichen sie beide an die hochbeinige Wiege in der Mitte des Raumes. Jonah schlief selig; um das leicht, wie in Erstaunen geöffnete Mündchen spielte ein verträumtes Lächeln. Sein schwarzer Haarschopf veranlasste Tante Elizabeth bei ihren häufigen Besuchen immer, ihr Bedauern darüber zu äußern, dass er kein Mädchen war, da rosafarbene Schleifen sich darin so zauberhaft ausgenommen hätten, was sie aber nicht davon abhielt, Jonah beständig zu drücken und zu liebkosen. Eines der beiden Fäustchen, die links und rechts neben seinem Kopf lagen, zuckte immer wieder sachte, ebenso wie die Lider, die so zart waren, dass das Adergeflecht darunter hervorschimmerte, von dichten Wimpernbögen bekränzt.
    Maya sah, wie genau Ralph ihn betrachtete. Dass er auszumachen versuchte, was äußerlich von Maya stammte – und was von dem unbekannten arabischen Nebenbuhler, der seine Ehefrau besessen und seinen Samen in ihren Schoß gepflanzt hatte, wohingegen ihrer beider Ehe fruchtlos geblieben war. Welcher Mann könnte eine solche Schmach jemals verzeihen?
    Sachte senkte sich Ralphs ausgebreitete Hand auf den schlafschweren Kinderkörper nieder, schwebte über dem runden, vorgewölbten Bauch des Kindes, der sich unter der blauen Wolldecke mit jedem Atemzug hob und senkte, als müsste er dessen Wärme fühlen. Mayas Muskeln spannten sich an, bereit, ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, von der Wiege wegzureißen, sollte er ihrem Kind Leid zufügen wollen. Ralphs Kinn schob sich vor, hob sich, bekam eine hässlich unebene Oberfläche, zitterte unter den herabgezogenen Mundwinkeln, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Gott, ich wünschte so sehr, es wäre meines«, entfuhr es ihm mit einem Schluchzen. Seine Finger schlossen sich, als er sie wieder zu sich herannahm. Mayas Hand legte sich auf seinen Oberarm, ließ sie spüren, wie er unter seinem inneren Aufruhr erzitterte, und als sie keinen Widerwillen seinerseits wahrnahm, legte sie die Arme um ihn, wollte ihm damit etwas von der tiefen Liebe abgeben, die sie für ihr Kind empfand.
    »Was ist bloß aus uns geworden, Maya?«, hörte sie ihn flüstern, ihre Umarmung erwidernd. »Wie konnte es je so weit kommen?«
    »Nichts von alledem werden wir jemals ungeschehen machen können«, flüsterte sie in plötzlich aufwallender Zuneigung, mehr wie eine Mutter oder Schwester denn wie seine Frau, zurück, was aber dennoch bedeutete, dass noch nicht alles Gefühl für ihn verloschen war.
    Er löste seinen Oberkörper von ihr, ohne sie loszulassen, und blinzelte mit tränenverklebten Wimpern in die Wiege hinein, in der der Kleine gerade herzhaft gähnte, ohne die Augen zu öffnen. »Wie ist sein Name?«
    »Jonathan. Wir nennen ihn aber Jonah.« Und ich nenne ihn

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