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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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der Krone auf Offiziersebene nur aus Briten; die einfachen Soldaten und unteren Ränge fast ausschließlich jedoch aus Männern des Landes, sepoys genannt. Aus den Gurkhas beispielsweise, Angehörigen eines kriegerischen Volkes aus dem Himalaya, aus Moslems und Hindus des gesamten Subkontinentes. Ein System, das sich trotz unterschiedlicher Religionen und Bräuche bewährt hatte. Über dem Fort flatterte stolz der Union Jack – ein weithin sichtbares, leuchtend farbiges Symbol britischer Macht an dieser wilden Grenze des Landes, wo Konflikte und Blutfehden zwischen den Völkern an der Tagesordnung waren.
    Doch Lieutenant Ralph Garrett war glücklich hier. Dies war sein Platz, seine Welt, in der die auf Karten eingetragene Grenze Britisch-Indiens die Linie zwischen Freund und Feind markierte. Feind war alles, was von jenseits der Grenzen kam, dadurch kategorisier- und überschaubar war. Hier sprach man zumeist Englisch, die Sprache der Kolonialherren und des Militärs, untergeordnet noch Hindustani, Urdu und zwei, drei lokale Dialekte. Schnell hatte er sich wieder im Regiment eingelebt, sich dem Tagesablauf zwischen Frühappell, Exerzier-, Reit- und Schießübungen angepasst. Er hatte nichts verlernt, und nach sechs Monaten Soldatendienst war er wieder auf dem Zenit seiner körperlichen Leistungsfähigkeit angelangt. Aden war vergessen; seine Schulden dort hatte er beglichen, seinen Dienst nach Vorschrift abgeleistet und der Stadt erleichtert den Rücken gekehrt. Geblieben waren jedoch seine Gewissensbisse, zu Unrecht Lob für eine Heldentat eingeheimst zu haben, die keine gewesen war, und die Sehnsucht nach Maya, die in ihm wuchs, je länger er ihr fern war.
    Es war nach Mittag; die Sonne brannte auf Mauern und Stein herab und flimmerte auf den glühend heißen Wellblechdächern. Unter der immensen Hitze dümpelte das Leben im Fort vor sich hin. Wer noch etwas Dringendes zu tun hatte, war bestrebt, seine Arbeit im Schatten zu erledigen, oder so wie Ralph in einem der Bungalows, deren Fensterläden und Türen sperrangelweit offen standen, um wenigstens einen Hauch von Durchzug zu erzielen. Seinen khakifarbenen Uniformrock hatte er über die Stuhllehne gehängt, noch einmal stolz über den steifen Stoff gestreichelt, über die roten Besätze und die glitzernden Kronen an den Kragenspitzen, dann die Hemdsärmel aufgekrempelt, bevor er sich an den Tisch im Vorraum setzte, um Papier und Feder zur Hand zu nehmen. Einige Briefe waren zwischen Mardan und Oxford hin- und hergegangen in den vergangenen sechs Monaten. Jonah entwickelte sich prächtig, tat schon seine ersten Schritte, und Angelina, die sich in London mehr als wohl fühlte, erwartete nun auch ihr erstes Kind.
    Dieses Jahr hatte er Mayas Geburtstag Anfang des Monats nicht vergessen, ihr sogar auf dem chowk , dem Markt, ein Silberarmband aus ziselierten Gliedern und mit einer Bordüre aus tropfenförmigen Anhängern gekauft und nach Black Hall geschickt. Er erwartete noch ihre Antwort darauf, trotzdem wollte er mit dem, was er ihr mitzuteilen hatte, nicht länger warten.
    Mardan, den 13. Mai 1857
    Liebe Maya,
    mehr als sechs Monate ist es her, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Genug Zeit, um mich hier wieder einzuleben, und auch genug Zeit, um mir vieles durch den Kopf gehen zu lassen. Was geschehen ist, was ich getan und gesagt habe, bereue ich zutiefst, das weißt du.
    Er hielt inne. Eiliger Hufschlag drang in seine Gedanken, doch er achtete nicht darauf, auch nicht auf die aufgeregten Stimmen im Inneren des Forts, tunkte stattdessen die Feder erneut in die Tinte.
    Ich will nicht mehr ohne Dich sein. In Nowshera, der benachbarten Garnison, leben viele Soldatenfrauen mit ihren Kindern. Komm hierher und lebe mit mir – so, wie wir es mal geplant hatten. Damals, in Summertown, am Geburtstag Deiner Tante Dora, als ich Dir den Antrag gemacht habe, erinnerst Du Dich? Ich habe Dir viel über die Gegend hier geschrieben. Was meinst Du – würde es Dir hier gefallen? Bitte komm – und komm mit Jonah. Ich werde mich bemühen, ihm ein guter Vater zu sein. Ich werde ihn lieben können, daran glaube ich ganz fest. Denn er ist dein Sohn – ich muss ihn doch lieben, so sehr, wie ich Dich liebe und immer geliebt habe. Wenn ich es auch nie auf die Weise zeigen konnte, wie Du es verdient –
    Die Glocke auf dem Exerzierplatz läutete Sturm. Ralph hob den Kopf von seinem Brief und runzelte die Stirn. Was mochte das bedeuten? Ein Versehen, bestimmt; in den letzten Wochen war

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