Unter dem Schutz des Highlanders
konnte, sie unter den Feiglingen auf Dunncraig zu finden. William hatte alle Bewohner der Burg und die Leute auf den Ländereien fest im Griff – einem Griff, den Robert entweder nicht gesehen hatte oder, weil er zu oft am Hof und bei Kämpfen in Frankreich war, nicht hatte lösen können. Roberts Naivität oder Nachlässigkeit hatte ihm und Sorcha das Leben gekostet. Bethia hatte nicht die Absicht, ihnen James in ihr kaltes Grab folgen zu lassen.
»Dein Vater war tapfer und ehrenwert«, sagte Bethia zu dem kleinen James, als sie den kleinen dunklen Raum betrat, den sie sich teilten, »aber er hätte seinen heimischen Herd viel, viel sorgfältiger bewachen müssen, Kleiner.«
Sie legte das gähnende Kind in die Wiege und setzte sich auf die Kante ihres schmalen, harten Bettes, um ihn zu beobachten. Sorchas strahlend grüne Augen segneten das niedliche kleine Gesichtchen, und sein Haar war nur ein wenig heller als das seiner Mutter. Den Neid, den Bethia manchmal angesichts der oft bejubelten Schönheit ihrer Schwester verspürt hatte, schien ihr nun kleinlich und traurig. Sie mochte eine langweiligere braune Haarfarbe ihr Eigen nennen und mit dem Fluch nicht zusammenpassender Augen belastet sein, zudem eine Figur besitzen, die wesentlich weniger weiblich wirkte, als die ihrer Schwester, aber sie war noch immer am Leben. Sorchas hoch gepriesene Schönheit und Anmut schienen immer ein Segen gewesen zu sein, aber sie hatten sie nicht retten können.
Und ich bin stärker, sagte sich Bethia, während sie den goldigen James beim Einschlafen beobachtete. Sorcha war wie eine Kerze gewesen, die man für ihr Licht und ihre Wärme bewunderte, für die Schönheit ihrer so farbenreichen Flamme, die man aber leicht auspusten und kalt und leblos zurücklassen konnte. Sie dagegen war wachsamer als Sorcha, konnte leichter das Schlechte in einem Menschen erkennen. Es hatte sie überrascht, dass Sorcha ihr eine Nachricht schickte, in der sie die Schwester um Hilfe für James bat, denn Dunncraig war voller Frauen, die darauf brannten und auch die Voraussetzungen erfüllten, sich um den Sohn und Nachfolger ihres Herrn zu kümmern. Inzwischen fragte sie sich, ob sich ein Hauch von Argwohn oder Angst in das liebende, vertrauende Herz ihrer Schwester eingeschlichen hatte.
Sie seufzte und wischte sich energisch eine Träne ab. Wenn dem so gewesen ist, war es dafür viel zu spät. Immerhin hätte dies Sorchas merkwürdige Wortwahl in ihrer Nachricht erklärt. Sie hatte ihre Schwester gebeten zu kommen und über James zu wachen. Nicht, ihn zu pflegen, mit ihm zu spielen, ihn zu besuchen oder seiner Mutter zu helfen, sondern über ihn zu wachen. Und genau das war es, was Bethia auch vorhatte.
Jeder Atemzug, den sie machte, jedes Rascheln ihrer Röcke auf dem mit Binsen bedeckten Boden ließen Bethias Herz einen schmerzvollen Sprung tun, während sie durch die düsteren Hallen von Dunncraig schlich. Sie wusste, wie man sich möglichst lautlos bewegte, doch diese Fähigkeit schien sie jämmerlich im Stich zu lassen. Trotzdem ertönte kein Warnschrei, während sie durch die Burg und hinaus auf den Vorhof schlich. Es hatte sie drei qualvolle Tage gekostet, einen Weg, der aus Dunncraig hinausführte, ausfindig zu machen, und zwar einen, zu dem sie möglichst ungesehen gelangen konnte, und sie hatte den Eindruck, dass sie fast ebenso lange brauchte, um dorthin zu kommen. Bei jedem Schritt hatte sie schreckliche Angst, dass James, der sich der Gefahr, in der er schwebte, so herrlich unbewusst war, ein Geräusch machen würde, das sie verraten könnte.
Jede einzelne Minute in diesen drei Tagen hatte sie zwischen Zweifeln an ihrem Verdacht und der Suche nach einem Weg, auf dem sie ungesehen aus der Burg fliehen konnte, geschwankt. Der Tod von James’ kleinem Welpen hatte all ihren Zweifeln und Verdachtsmomenten ein grausames Ende bereitet. Bethia glaubte nicht so recht, dass sie jemals wissen würde, warum, doch nachdem sie ahnungslos alles gegessen und getrunken hatte, das man ihr und James am Tag nach der Beerdigung gebracht hatte, hatte sie sich am zweiten Tag plötzlich veranlasst gefühlt, die Speisen vorkosten zu lassen. Als das Hündchen nach dem Verzehr dieser Speisen verendete, hatte sie aus Schuldgefühlen darüber, das arme vertrauende Tier auf solche Weise benutzt zu haben, und einer befremdlichen Mischung aus Wut und Angst, weil all ihre dunklen Vermutungen sich auf so grausame Weise bestätigt hatten, heftig geweint. Die Tatsache,
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