Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
den letzten Tagen an Vampirschlafenszeiten gewöhnt hatte.
» Warum bist du zurückgekommen?«
» Ich dachte, es könnte hier noch jemand gebraucht werden, der sich um dich kümmert.« Ich streckte die Hand aus und verwuschelte sein Haar, woraufhin er, wie ich es erwartet hatte, trotzig zurückwich.
» Ich bin kein Kleinkind.« Er strich sein Haar glatt, obwohl ich es gar nicht so sehr verwuschelt hatte. » Und außerdem war es früher eher andersherum: Ich habe auf dich aufgepasst, nicht du auf mich.«
» Das stimmt allerdings«, gab ich lächelnd zu.
Milo war schon immer sehr selbstständig gewesen. Er wollte einfach nur jemanden um sich haben, und das war das Mindeste, was ich für ihn tun konnte.
» Apropos, ich sollte uns wohl besser Abendessen machen.« Er ging zum Kühlschrank hinüber und plauderte gut gelaunt über das delikate Gericht, das er für uns zubereiten würde. An den Küchentresen gelehnt, sah ich ihm bei seiner Arbeit zu und wusste plötzlich, dass es richtig gewesen war, zu ihm zurückzukehren.
Jane schien erfreut, als sie mich am nächsten Morgen in der Schule sah. Ich stand an meinem Spind und war mit meinen Büchern beschäftigt, als sie an mir vorbeikam und mir mit ihrem übertrieben süßen Lächeln ein » Schön-dass-du-wieder-da-bist-Alice« zumurmelte.
Ich war zwar nur drei Tage nicht in die Schule gegangen, doch wir hatten schon viel länger nichts mehr zusammen unternommen, und auch an meinem sonstigen menschlichen Leben hatte ich nicht wirklich teilgenommen. In der Schule und auch zu Hause war ich der reinste Zombie gewesen.
Meine beiden Leben waren jedoch nicht voneinander zu trennen. Beide waren sie ein Teil von mir und dessen, was ich tat. Ich ging zur Highschool, verbrachte Zeit mit meinem Bruder, tratschte mit Jane und in meiner Freizeit hing ich mit Vampiren herum.
Eigentlich hatte sich an mir nichts verändert. So überwältigend die Ereignisse der vergangenen Wochen auch gewesen waren, ich war immer noch die gute alte Alice Bonham, und das würde auch so bleiben – zumindest noch für die nächsten paar Jahre.
Als also Jane an mir vorbeilief, raffte ich schnell meine Sachen zusammen und eilte ihr nach. Sie musste mich wirklich vermisst haben, denn sie hielt sogar an und wartete auf mich, als ich ihren Namen rief. Nach ein paar freundschaftlichen Sticheleien darüber, dass ich mich in letzter Zeit so rar gemacht hatte, erzählte ich ihr, so gut es ging, von den letzten Ereignissen in meinem Leben, wobei ich ihr den Vampirteil der Einfachheit halber verschwieg.
Zu Hause ließ ich mir von Milo bei den Differentialrechnen-Hausaufgaben helfen, die mir so überflüssig erschienen, dass ich mir schwor, dafür zu sorgen, dass ich dieses Wissen in meinem ganzen Leben niemals wieder brauchen würde. Milo machte ein leckeres Lachsgericht zum Abendessen und informierte mich über die Fortschritte in Sachen Troy – oder besser gesagt über das Fehlen derselben.
Alles in allem schien mein Leben zu seinem alten Rhythmus zurückgefunden zu haben, was mich darauf hoffen ließ, dass sich doch alles zum Guten wenden würde.
Als mir Jack schrieb, er würde mich in zwanzig Minuten abholen und ich mich fertig machte, erinnerte mich Milo daran, dass morgen früh Schule war, und ich versprach, vor eins wieder zu Hause zu sein. Er fand das zu spät, und auch mir schienen sechs Stunden Schlaf zu wenig, andererseits wollte ich aber auch mit Jack genügend Zeit verbringen.
Während ich draußen auf Jack wartete, kam mir plötzlich etwas komisch vor. Ich wartete auf Jack.
Egal, wie sehr ich mich sonst beeilt hatte, Jack war immer schneller gewesen. Und nun wartete ich schon so lange, dass mir bereits ein wenig kalt wurde und ich mein Sweatshirt enger um mich zog.
Gerade als ich mein Handy hervorkramen wollte, um Jack eine SMS zu schreiben, hielt vor mir ein silberner Audi, und mein Herz begann zu rasen.
Peters grüne Augen fixierten mich durch das verdunkelte Autofenster hindurch, und mein Verlangen nach ihm, das in den letzten Tagen etwas nachgelassen hatte, ergriff mich von Neuem mit voller Macht.
Mein Körper begann zu zittern – was nicht an der Kälte lag. Und mein Herz begann wieder auf dieselbe Weise zu rasen, die Jack verrückt gemacht hatte, und ich fragte mich, ob Peter dasselbe empfand. Als ich die Autotür öffnete und einstieg, bereitete ich mich innerlich darauf vor, es herauszufinden.
Kapitel 22
Ohne ein Wort fuhr Peter los, den Blick streng auf die Straße
Weitere Kostenlose Bücher