Unter den Sternen von Rio
schlecht war. Leider waren alle seine genialen Einfälle auch mit hohem Kosten- oder Zeitaufwand verbunden. Handzettel wollte er drucken lassen – zu kurzfristig, beschied man ihm in der Druckerei. Dasselbe galt für Plakate. Eine Anzeige in der Zeitung oder vielmehr in allen wichtigen Zeitungen von Paris? Viel zu teuer, stellte er fest. Ein kleiner Hinweis im Radio? Für ihn kaum machbar, da er es kaum über die Empfangsdame der Sendestationen hinaus schaffte.
»Bel, hast du nicht noch so eine gute Idee?«, fragte er sie am Abend, als sie müde und erschöpft im Bett lagen. »Ich will, dass die Bude voll ist. Und ich will, dass das Publikum vor Begeisterung tobt. Dann erst haben wir eine reelle Chance, deine Gage neu zu verhandeln oder, wer weiß, uns bei besseren Theatern umzutun.«
»Augusto, stell dir jetzt einfach vor, ich wäre tot.«
»Ich bin doch auch kaputt, Schatz. Aber wir müssen uns schnell etwas richtig Gutes einfallen lassen.«
»Das ist deine Aufgabe«, gähnte Bel und drehte ihm den Rücken zu. »Ich bin nur für die Darbietung zuständig.«
Wenig später spürte er, wie sie kurz zuckte, dann hörte er ihren gleichmäßigen Atem. Sie schlief.
Er selber konnte kein Auge zutun. Er war hundemüde, aber sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Er grübelte und grübelte. An Ideen mangelte es ihm nicht, aber er musste eine nach der anderen verwerfen. Zu teuer, zu kurzfristig, zu aufwendig. Und alles, was machbar war, brachte nicht viel. Natürlich würde er alle seine Bekannten in Paris zusammentrommeln, Senhor Pessoa genauso wie dessen Personal, außerdem den Kioskbesitzer Jean-Paul, den Trödler Albert und dessen Frau Yvonne, die Bäckereiverkäuferin Claudette oder den Kohlenmann François. Aber es war fraglich, ob sich diese Leute mit ihrem zumeist geringen Verdienst überhaupt eine Karte für das Theater leisten konnten. Augusto grübelte noch immer, als ihn schließlich der Schlaf übermannte. Als der Wecker um sieben Uhr klingelte, riss er ihn aus einem Traum, den er nicht mehr ganz zusammenbekam. Augusto wusste nur, dass er kurz vor dem Erwachen die brillante Idee gehabt hatte, nach der er so lange gesucht hatte. Welche das war, wusste er nicht mehr zu sagen.
Am Abend war der Saal wieder voll. Es war ein Freitag, da konnte es sich die berufstätige Bevölkerung ausnahmsweise leisten, länger auszugehen. Dabei war der Samstag in Paris ein fast normaler Werktag, aber anscheinend animierte der bevorstehende Sonntag die Leute dazu, über die Stränge zu schlagen. Karnevalsfreitag, dachte Augusto mit einem Anflug von Panik. Wie zum Teufel sollte es ihm bis Dienstag gelingen, für ein volles Haus zu sorgen?
Bels Auftritt lief wie am Schnürchen. Das Publikum spendete ihr viel Applaus, und eine Frau aus dem Publikum rief sogar laut: »Zugabe!« Und zwar, wie Augusto erst nach ein paar Sekunden bemerkte, auf Portugiesisch.
Hinter den Vorhang fragte er Bel aufgeregt: »Hast du das gehört? Da sitzen Brasilianer im Saal.«
»Ach, wirklich?« Bel gab sich desinteressierter, als sie war.
»Ja, sie haben nach einer Zugabe verlangt.«
»Sollen sie doch am Mardi Gras kommen, da gibt’s mehr von mir zu sehen und zu hören.«
Richtig, dachte Augusto. Und genau das würde er den Leuten jetzt mitteilen.
Er strich sein Jackett glatt, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und straffte die Schultern. Dann ging er in den Zuschauersaal.
Er fand den Tisch mit den Brasilianern sofort. Sie waren laut, wie fast alle seiner Landsleute, und zogen sich bereits verstimmte Blicke von den Nachbartischen zu. Als er an ihren Tisch trat, dachten sie zunächst, er sei ein Kellner, doch er klärte das Missverständnis schnell auf.
»Ich bin der Agent der Künstlerin, die Sie eben gesehen haben«, erklärte er. »Wir freuen uns sehr, dass Ihnen die Darbietung gefallen hat.«
»Und wie!«, rief die Frau, die zuvor schon nach der Zugabe verlangt hatte. Sie war ziemlich angeheitert.
»Am Mardi Gras, also am Karnevalsdienstag, veranstalten wir hier eine Art brasilianische Party. Ich dachte mir, Sie sollten davon wissen. Und vielleicht haben Sie Lust, es auch anderen Brasilianern in Paris zu erzählen? Es wäre doch eine tolle Sache, hier, so fern von daheim, wieder einmal richtig Karneval zu feiern.«
»Was für eine schöne Idee«, meinte die beschwipste Frau. »Ja, das werden wir im Bekanntenkreis herumerzählen. Da gibt es einige Leute, denen der Karneval sehr fehlt.«
»Wunderbar. Einen weiterhin angenehmen
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