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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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mich nur wenig, lief mir allerdings wie ein fröhliches, blitzsauberes Hündchen überallhin nach. Ich bestellte die Lebensmittel in den Geschäften, kochte, gab dem »Boy« Anweisungen und ging der Schwester zur Hand, die ständig mit Brustpumpen und kräftigender Kost zur Stelle sein musste.
    In meinen Tagträumen stellte ich mir eine glänzende Zukunft in allerlei Variationen vor, bei denen es nie auf eine ordentliche Ausbildung ankam. Meine Fantasien rankten sich hauptsächlich um gut aussehende Liebhaber, zweifelhafte, Lesern von Liebesromanen wohlbekannte Helden, die alle nur darauf warteten, mich auf zauberhafte Inseln, in Länder und Städte zu entführen, die ich aus Büchern kannte.
    Außerdem schrieb ich Kurzgeschichten und verkaufte zwei davon an schicke Illustrierte in Südafrika. Als ich sie später in einer Schublade fand, schämte ich mich so, dass ich sie auf der Stelle zerreißen musste. Ich hatte einen Markt bedient, und ich hatte damit Erfolg geerntet. Später aber war ich dazu nicht mehr in der Lage, selbst wenn ich dringend Geld brauchte.
    Ich war froh, als die Edmonds sagten, sie könnten es sich nicht mehr leisten, mich zu beschäftigen. Es war die Rede von einer richtigen englischen Nanny, die von ihrer Familie bezahlt werden sollte. Später ließen sie sich scheiden. Ich habe diese reizenden Leutchen und ihren kleinen Sohn als hübsche Kinder in Erinnerung.
    Ich war drei Monate bei ihnen. (Die Zeit hatte sich mittlerweile auf die Erwachsenenzeit eingespielt – die Zeit junger Erwachsener allerdings, die etwas ganz anderes ist als die Zeit der mittleren Jahre oder des Alters.) Danach verbrachte ich ein Jahr in einer Familie in Salisbury, die schon in der zweiten Generation in Rhodesien war. Der Vater war aus dem Norden Englands eingewandert und hatte eines der bekanntesten Unternehmen des Landes gegründet. Seine wohlhabende Tochter wurde wegen ihres Geldes von einem jungen, mittellosen Ingenieur geheiratet, der vor der Wirtschaftskrise in England geflüchtet war. Sie galt als unattraktiv, trug altjüngferliche, unmoderne Kleider und hatte eine biedere aufgesteckte Zopffrisur. Sie richtete sich so wenig nach dem Zeitgeschmack, dass sie offensichtlich beschlossen hatte, sich gar nicht erst Vergleichen auszusetzen. Aber oft spielte ein kleines Lächeln um ihre Lippen, das gleichzeitig wissend und naiv wirkte, und wahrscheinlich dachte sie dann: »Mag sein, dass ich nicht hübsch bin, aber schaut nur, was ich mir geangelt habe«, während sie ernst mit ihrem gut aussehenden Mann flirtete. Ihr unverheirateter Bruder lebte mit im Haus und leitete das Familienunternehmen. Er war ein gläubiger Christ und der Inbegriff alles Konventionellen. In diesem Haus wurde ich Zeugin folgender Szene: Als im Radio irgendeine Feier der königlichen Familie – die Hochzeit von Prinzessin Marina, glaube ich – übertragen wurde, stand besagter junger Mann beim Spielen der Nationalhymne jedes Mal stramm, das heißt viele Dutzend Mal, obwohl außer seinem Gewissen niemand da war, um ihn zu beobachten. Hohn und Spott von mir oder »Tigger«, während der angeheiratete Gatte, der das Verhalten ebenfalls absurd fand, sich zwar gestattete, mir das mit Blicken zu zeigen, aber gleichzeitig eine konformistische Bemerkung machte, um seine Zugehörigkeit zu diesem gottesfürchtigen, patriotischen Haushalt zu unterstreichen. Jasper (nennen wir ihn so) zahlte teuer für seine sichere Zukunft. Er betrachtete sich selbst als Intellektuellen, sein Stand war dem meiner Eltern und ihrer Freunde vor dem Krieg vergleichbar. Wie sie war er gut informiert über die Weltpolitik, hatte unbequeme Ansichten und vertrat sie mit Vorsicht.
    Plötzlich – wie sich Einsichten dieser Art so häufig offenbaren – ging mir, vielleicht beim Windelnwechseln, auf, dass ich nicht mehr die Attribute verdiente, die ich gewohnt war: »So ein kluges Mädchen, was die alles liest«, und dergleichen mehr. Mit meiner geistigen Entwicklung ging es – so jedenfalls mein Eindruck – schon lange bergab:
    Ich las nur noch Bücher mit kitschigen Inhalten und stereotypen Handlungsmustern. Die burschikosen jungen Heldinnen aus dem amerikanischen Mittelwesten waren von den seichten populären Romanfiguren abgelöst worden, die in den dreißiger Jahren so reichlich geschrieben wurden – Sprungbretter für die Fantasie. Aber die Bücher, die Jasper las, hatten ein anderes Niveau.
    Das Buch, das mich zufällig wachrüttelte, war
The Shape of Things to

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