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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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monströsen kleinen Viecher, und zwischen den Eiern zitterten die hübschen trockenen Küken. Ich lief hinaus, suchte mir die älteste, erfahrenste Henne und setzte sie in einen Stall, in dem der Nistkasten schon ausgekleidet mit Stroh und Federn bereitstand, und als ich ihr ein paar Dutzend kleine Küken brachte und eins nach dem andern in das Nest setzte, schien sie nicht so recht zu wissen, was sie tun sollte. Dann schaltete sie, gluckte, setzte ihre Füße vorsichtig zwischen die Küken und verwandelte sich in ihre Mutter. Genauso ging es mit den drei anderen Hennen. Aber als meine Eltern wiederkamen, sagte mir ein Blick in das Gesicht meiner Mutter, dass ich das Drama mit den zweiundsiebzig Küken ganz allein für mich behalten musste. Wie oft habe ich den kleinen Küken zugesehen, wenn sie hinter der Henne über die felsige Hügelkuppe trippelten, während die Hühner mit einem Auge nach Habichten Ausschau hielten, und gedacht: Und wenn ich nun zehn Minuten später aufgewacht wäre?
    Ein Handelsreisender erwähnte, dass das Fernsprechamt in Salisbury junge Mädchen einstelle. Wohl wissend, dass ich keine Erlaubnis bekäme, wenn ich vorher fragte, ließ ich mich von Mr. McAuley in die Stadt mitnehmen und flirtete dafür mit ihm, denn das konnte »Tigger« gut. In Salisbury angekommen, begab ich mich schnurstracks ins Fernsprechamt. Obwohl ich mich nicht an das übliche Bewerbungsverfahren gehalten hatte, bekam ich von den beiden Herren, die das Fernsprechamt leiteten, unverzüglich die gewünschte Stelle. Ich war um ein paar Monate zu jung, aber sie glaubten, dass ich es schon schaffen würde. Außerdem bewarben sich nicht genügend Mädchen entsprechender Herkunft. Dann mietete ich mich in einem Zimmer ein, das im
Herald
annonciert war, im Haus einer Witwe – aber davon berichte ich in
Martha Quest.
Dieses Haus im alten Stil steht heute unter Denkmalschutz, weil den Behörden aufgegangen ist, dass sie bereits so viele der alten Häuser abgerissen haben, dass bald keine mehr zur Erinnerung an die alten Zeiten übrig sein werden. Was heutzutage gebaut wird, und zwar in den wildesten, abgelegensten Teilen von Simbabwe, sind Häuser, die den Strohdachhäusern Englands (vage) nachempfunden sind, kompakte kleine Häuser, mit ordentlichen kleinen Fenstern und winzigen Mansardenfenstern, ohne Veranda oder Schattenplätze, ohne geschützte Laubengänge. Schriftsteller können sich noch so anstrengen, mit der tagtäglichen Unbarmherzigkeit des Lebens selbst, dieses bitterbösen Satirikers, können sie nicht mithalten.

Kapitel elf
    Im Fernsprechamt waren die Arbeitszeiten nicht lang. Ich schrieb mich für Abendkurse in einer Sekretärinnenschule ein, um schneller tippen und stenografieren zu lernen, und ich bewarb mich auf Anzeigen. Meine einzige Qualifikation war der Führerschein. Aber von weiblichen Chauffeuren hatte damals noch nie jemand gehört. Ich hatte zwei Vorstellungsgespräche mit überraschten Arbeitgebern, die auf die falsche Weise von mir angetan waren. Ich bewarb mich um eine Stelle beim
Herald
, wo ich aber die Gesellschaftsnachrichten hätte schreiben müssen. Außerdem verschaffte ich mir dank meiner guten Kontakte zu Hemensley’s, wo ich immer noch jederzeit zu einem Plausch hereinschauen konnte, ein Gespräch mit Mr. Barbour, dem Eigentümer des größten Damenbekleidungsgeschäftes der Stadt, der gleichzeitig Stadtabgeordneter und eine bedeutende öffentliche Persönlichkeit war. Er wäre gern bereit gewesen, mich als Schaufensterdekorateurin einzustellen, allerdings zu einem so geringen Lohn, dass ich in einem Heim für mittellose Mädchen hätte wohnen müssen. Er empfahl ein von der Stadt unterstütztes Heim. »Tigger« versäumte nicht, ihm unter die Nase zu reiben, dass er seine öffentliche Position ausnütze, um billige Arbeitskräfte für sein Geschäft zu bekommen. Doch oft bekommt man die eigene Unverfrorenheit sofort wieder heimgezahlt. Er war nur allzu gern bereit, mit mir, solange ich wollte, über die ganze Sache und ihre guten Seiten zu diskutieren. Mir war Eigennutz noch nie so überzeugend als gemeinnützig dargestellt worden – und dabei war ich, während ich heranwuchs, durchaus mit den aberwitzigsten Denkungsarten, die man sich nur vorstellen kann, konfrontiert worden. Mr. Barbour vertrat die Meinung, Profit beweise Erfolg, wirtschaftlicher Erfolg liege im Interesse dieses neuen Landes, und wenn der Stadtrat die Miete seiner weiblichen Angestellten subventioniere, dann

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