Unter der Haut (German Edition)
drei schwarze Kindermädchen mit, die ihnen halfen? Vielleicht verfielen sie auch nur angesichts dieses sehr jungen, attraktiven, ungebundenen Mädchens, das sie so kritisch beäugte, in Selbstmitleid.
Die drei Ehemänner und ihre Frauen machten gehässige Bemerkungen über nicht anwesende Mitglieder der Gruppe. Alle jammerten darüber, dass sie eigentlich im Spanischen Bürgerkrieg mitkämpfen sollten – ich fühlte mich, als bekäme ich einen Spiegel vorgehalten, dessen Bild mir nicht gerade gefiel.
Als ich ging, forderten sie mich auf, sofort den
Observer
, der viel zu reaktionär sei, abzubestellen und stattdessen den
New Statesman
zu abonnieren, von dem ich bis dahin noch nichts gehört hatte. Sie erinnerten mich an die Ratgeber, die unnachgiebig befohlen hatten, entweder nur noch Gemüse oder nur noch Fleisch zu essen beziehungsweise Milchprodukte zu meiden oder nichts zu essen, was nicht gedünstet war.
Ihre unsympathische Art schob mein Engagement für die Linke um vier Jahre hinaus. Der Hauptgrund meiner Antipathie ist aber nicht in
Martha Quest
zu finden, denn der hatte nichts mit ihr zu tun. Was ich diesen Frauen nicht verzeihen konnte, war die Art, wie sie ihre Kinder erniedrigten und herabwürdigten, indem sie in ihrem Beisein von ihnen als Plage sprachen – als lästig und ungewollt. Gut, die Kinder waren noch klein, aber ich erinnerte mich noch deutlich daran, wie ich selbst als kleines Kind solches Gerede mit angehört hatte.
Die Pläne, mich zu einer tüchtigen Sekretärin weiterzubilden, hielten kaum einen Monat. Bald klopften junge Männer bei mir in der Second Street an. Es gab zu viele junge Männer für die Mädchen in der Stadt oder, anders ausgedrückt, zu wenige Mädchen für die vielen Männer – jedenfalls von der Schicht, die dem Sports Club angehörte und zur hoffnungsvollen Jugend der Stadt zählte. Es kommt nicht selten vor, dass attraktive junge Mädchen diese Situation missverstehen. Und wenn es zu viele Mädchen für die Männer gegeben hätte? Dann wäre ich auch zurechtgekommen, aber hätte nicht so im Mittelpunkt gestanden. Ich war achtzehn. Dunkelhaarig. Dunkle Augen. Eine gute Figur, die schon auf den Rhythmus eingespielt war, den sie jahrzehntelang einhalten sollte: schlank, dann mollig – strenge Diät, dann schlank und bald wieder füllig. Ich war kerngesund und von unverbrauchter Vitalität. Ich hatte mir, um mit Bernard Shaw zu sprechen, meine Eltern gut ausgesucht. Ich glaube, ich hätte physisch keine bessere Ausgangsposition haben können, und ich habe das Geschenk missbraucht, als wäre Gesundheit etwas Unerschöpfliches. Noch auf der Farm steckte ich mir meine erste Zigarette an, nachdem ich vorher viele Jahre lang meine Eltern wegen ihrer gelb gefärbten Finger verachtet hatte, wegen der Tabakkrumen, die aus den selbst gerollten Zigaretten fielen, ihrer Sucht nach dem Rauch, der ihnen aus dem Mund quoll. Aus war es mit: »Ich
will nicht
, ich
will
einfach
nicht.
« Weit davon entfernt, Übelkeit zu empfinden, wusste ich beim ersten köstlichen Zug, dass ich dafür geboren war, und ich rauchte mit großem Vergnügen, bis ich es ein Vierteljahrhundert später wieder aufgab. Sobald ich auf der Veranda des Sports Club eintraf, trank ich mein erstes Glas. Alle tranken. Überall. In jedem Land. Es war schick. Es demonstrierte Abgeklärtheit. Es demonstrierte Verachtung für die Obrigkeit. Aber die Trinksitten im südlichen Afrika waren möglicherweise besonders dazu angetan, größtmöglichen Schaden anzurichten. Die Männer verließen in der Mittagspause ihre Büros und gingen auf einen Drink in die Hotels und Bars. Oft aßen sie nichts dazu. Das allgemeine Besäufnis begann mit den berühmten
sundowners
um sechs Uhr abends und dauerte, ohne dass man etwas zu sich nahm, außer ein paar Erdnüsse oder Kartoffelchips, bis zum Abendessen zwei bis drei Stunden später. Wenn wir ins Kino gingen, ließen wir nicht die Drinks, häufig aber das Essen ausfallen. Wir gingen oft tanzen und tranken die Nacht hindurch. Wir tranken viel Bier von der Castle Brewery, aber auch eine widerliche Mischung aus Kapbrandy und Ingwerbier. Die Männer, die es sich leisten konnten, tranken Whisky, und die Frauen tranken Gin. Gin mit Limone, Gin mit Zitrone, Gin Tonic, Pimm’s Cup. Wir tranken die verschiedensten Liköre, wahrscheinlich, weil sie süß sind und unser Blutzuckerspiegel niedrig war. Meistens waren wir zumindest beschwipst, wenn wir ins Bett gingen. Ich hatte oft einen
Weitere Kostenlose Bücher