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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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sich und gebrauchten Ausflüchte. Für sie waren die Piloten, genau wie wir Leute aus der Stadt, verwöhnt und privilegiert. Als ich einen von ihnen einmal darauf hinwies, dass Gottfried und ich nie anders als in möblierten Zimmern oder in einer Einzimmerwohnung gelebt hatten, lachte er mich aus. Und zwar nicht anders als Charles Mzingele, ganz so, als würde er einem Kind den Kopf tätscheln.
»Ja, glaub es nur, so geht es bei uns zu.«
    Diese Phase, in der die drei Royal-Air-Force-Offiziere aus Cambridge bei uns waren, eine Zeit mit ihrem eigenen Gepräge und Charakter, bildete dann die Grundlage für die Mashopi-Teile des
Goldenen Notizbuchs
, das ich gerade noch einmal gelesen habe. Ohne jeden Zweifel vermittelt die Fiktion das treffendere Bild der Wahrheit.

Kapitel Fünfzehn
    Ich war bei Howe-Ely weggegangen, weil es Gottfried und mir zu viel des Guten erschien, auch noch die Arbeitsstunden gemeinsam zu verbringen, und ich ging, wiederum als zweite Sekretärin, in eine Anwaltspraxis, zu Winterton, Holmes und Hill. Winterton und Holmes waren in Nordafrika an der Front, und Mr. Hill hielt die Stellung. Die Büroräume waren groß und hell, nicht zu vergleichen mit den schäbigen und staubigen Büros von Howe-Ely. Die Chefsekretärin hieß Mary, ihr richtiger Name ist mittlerweile mit ihrem literarischen Namen verschmolzen. Mary stammte aus Großbritannien, und in ihren Augen waren alle Mädchen aus der Kolonie, verglichen mit den Frauen, die eine Ausbildung hatten wie sie, faul und inkompetent. Sie tippte mit zwei Fingern und einem Daumen schneller als alle Leute, die ich je gesehen habe. Die langen juristischen Dokumente waren immer vollkommen fehlerfrei. Ich war damit zufrieden, als Untergebene mit geringem Gehalt zu arbeiten, weil ich keine lebenswichtigen Energien auf den Broterwerb verschwenden wollte. Ich tippte normale, anspruchslose Briefe, einfache Urkunden und führte außerdem die Bücher, doppelte Buchführung. Ich war überrascht, wie einfach das war. Aber in erster Linie hatte ich mich um die Schuldner zu kümmern. Wir hatten einen eigenen Schrank für ihre Karten, und im Ablageraum für die Akten nahm dieser den größten Raum ein. Hier war sie wieder, die Welt bitterer Armut, die Welt der
toe-rags.
Die meisten Schuldner waren Weiße, einige der Schulden Jahre alt. Die meisten waren während der Wirtschaftskrise entstanden. Die Schuldner kamen den ganzen Tag über ins Büro. Einige von ihnen waren Alkoholiker, die von ihren Frauen verlassen worden waren. Sie standen böse vor mir und starrten mich mit blutunterlaufenen Augen an, oder sie schämten sich und trauten sich gar nicht, mich anzuschauen. Sie hätten das Geld nicht, beteuerten sie, Mr. Barbour oder Mr. Hemensley oder wer immer könne sagen, was er wolle. Einige Männer waren durch Krankheit verarmt. Die Frauen hatten Babys auf dem Arm oder Kinder, die an ihren Händen zerrten, es waren müde, wirklich arme Menschen, die sich nur eben über Wasser hielten. Oft lauteten die Namen auf den Karten Coetzee oder Van der Hout oder Van Huizen oder Pretorius oder Van Heerden, lauter arme Verwandte der großen Burenfamilien im Süden. Wenn die farbigen Frauen mit ihren Kindern aus dem Farbigenviertel kamen, grüßten sie mich manchmal, und dann war Mary schockiert. Man konnte sich deutlich vorstellen, wie sie in billigen Hotels, in ärmlichen Hütten irgendwo im Busch oder in verelendeten Hinterhöfen hausten. Wenn sie nicht zahlten, gewährte ich ihnen ein, zwei, drei Wochen Aufschub, musste das danach aber wieder Mr. Hill erklären, der sagte: »Warum sind sie so dumm? Sie müssen nur wieder mehr Anwaltskosten zahlen.« Dann rief ich die Kreditgeber an und fragte, ob sie diese armen Schlucker wirklich verklagen wollten. Sie wurden jedes Mal ärgerlich, und das Gespräch endete gewöhnlich mit den Worten: »Ach, machen Sie, was Sie wollen – aber warum muss ausgerechnet ich für diese Leute aufkommen?« oder: »Beantragen Sie bei Gericht einen Pfändungsbeschluss.« Ein solcher Beschluss bedeutete für die Schuldner einen wöchentlichen Lohnabzug. Die Gerichtskosten wurden vom Schuldner getragen. In diesen Fällen konnte man ziemlich sicher sein, dass der Gepfändete die Stelle wechselte oder in eine andere Stadt ging. Die Wirtschaftskrise war vorbei, jetzt herrschte Krieg, und es gab Arbeit. Mary sah es nicht gern, dass diese stinkenden, zerlumpten Leute ihr hübsches, sauberes Büro verunreinigten. Sie fand, dass sie alle bestraft

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