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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Stellen hatte, war überarbeitet und – was entscheidender war – vom langen Warten entmutigt. Wie ich schlief er zu viel und war ständig müde. Wir fuhren mit Freunden nach Fort Victoria, um die Ruinen von Simbabwe zu besichtigen, die vierzig Jahre später dem ganzen Land den Namen geben würden.
    Als ich die Halle betrat, wusste ich, dass dieses hier meiner Idealvorstellung von einem Zuhause entsprach. Vielmehr entsprach es einer meiner Vorstellungen davon, die Alhambra in Granada entspricht einer anderen – von einem Extrem ins andere. Bei Traumschlössern braucht man sich keine Gedanken über die Miete zu machen oder darüber, ob sie vernünftig und praktisch sind. Der zentrale Raum war lang und breit wie eine Halle, und das Strohdach bildete eine hohe, gewölbte Decke darüber. Der Fußboden war mit Steinfliesen belegt, es gab einen großen Kamin, und an einer Seite ging eine Reihe von Fenstern auf
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und den Busch hinaus. Es war das Haus meiner Kindheit, nur prächtiger und solider und nicht so leicht von Termiten kleinzukriegen. Die Schlafzimmer befanden sich in einem separaten Bau, wie in dem Hotel in Macheke. Die Zimmer waren in zwei Reihen mit der Rückwand aneinandergebaut, eine Veranda führte rundherum. Von dort aus sah ich zu, wie ein Pferd für Gottfried den Hügel heraufgebracht wurde, und beobachtete, wie Peter, der tapfere kleine Kerl, von einem schwarzen Stallburschen zu seinem Vater hinaufgereicht wurde, sich an ihn anschmiegte und vorne am Sattel festklammerte, wie er, das kleine Gesicht aus Angst und Begeisterung vorgereckt, abwechselnd vor Entzücken und Furcht krähte. Dann setzten sie sich in Trab, Mann, Kind und Pferd, und verschwanden zwischen den Bäumen.
    Es war sehr heiß. An einem Nachmittag ging Gottfried reiten, und ich legte mir das Kind nackt auf die Schulter, nur leicht mit einem Schleier aus Fliegengaze zugedeckt, und setzte mich mit ihm auf die Veranda. Es schlief fest, und ich döste. Als ich die Augen aufschlug, blickte ich durch eine offene Schlafzimmertür. Auf dem Bett hockte eine halb nackte Frau über einem nackten, kleinen Jungen von ungefähr vier Monaten. Ihre blonden Haare fielen ihr offen über die Schultern, und ihre grünen Augen sahen mich von Zeit zu Zeit an, während sie ihr Baby in aller Ruhe ableckte wie eine Katze ihr Kätzchen, wie eine Leopardin ihr Junges, die kleinen Arme, die Beinchen, den Bauch, dann drehte sie ihn um und leckte seinen Rücken und die Pobacken ab. Als sie fertig war, warf sie ihre Mähne zurück und lachte mich an, dass die weißen Zähne blitzten.
    Im Speisesaal saß sie ihrem Mann gegenüber und hatte das Baby im Kinderwagen neben sich stehen. Sie trug eine weiße Hose und ein kariertes Hemd. Ihr blondes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt. Ihr flotter junger Ehemann hatte etwas von einem Soldaten. Vielleicht war er gerade aus dem Offiziersdienst entlassen. Als sie den Kinderwagen aus dem Speisesaal schob, warf sie mir unauffällig ein verschwörerisches Lächeln zu.
    Ich erzählte Gottfried nichts: Er hätte nur sarkastisch und verstimmt reagiert und sich bedroht gefühlt. Unter den Gästen war auch ein junger Angehöriger der Royal Air Force, der immer noch darauf wartete, nach Hause zu können. Er stammte aus der Arbeiterklasse, aus einer großen Londoner Cockneyfamilie, und er half uns gern und sehr geschickt mit dem Baby. Ihm erzählte ich, dass ich zugesehen hätte, wie die junge Frau dort drüben ihr Baby abgeleckt habe wie eine Katze, aber er fragte nur: »Wäre es nicht einfacher gewesen, es zu waschen?«
    Von Simbabwe selbst – der Ruine – hieß es damals, es sei von den Arabern erbaut worden. Ich stieg auf den Hügel, von dem man einen guten Blick auf die Ruine hat, und setzte mich auf einen Felsen. Unter mir sah ich Gottfried davonreiten. Das Auto stand im Schatten unter irgendwelchen Bäumen. In dem Auto lag das Baby schlafend in seinem Körbchen, und bei ihm der Royal-Air-Force-Mann, der ebenfalls schlief. Die Nachmittagsstille im
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, das Gurren der Tauben, die Zikaden, die Grillen. Es gab noch ein Geräusch, das mich seither verfolgt. Von irgendwo dort unten, aus einer Hütte, die ich nicht sehen konnte, oder von einem Baum, unter dem jemand saß, vernahm ich zwei Trommeltöne, einen hohen Ton, dann einen tiefen, dann eine Pause, dann wieder die beiden Töne. Diese Töne kann man keinem Klavier entlocken, und die Pause erhält ihre Berechtigung aus einer den europäischen Ohren nicht vertrauten

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