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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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dann: »Aber Nathan, das war damals eine dekadente Zeit in Berlin, hast du das vergessen?« »Ein
Haarnetz
, Tigs, ein
Haarnetz.
« Bis zu seinem Tod ließ sich Nathan nicht davon abbringen, mich Tigger zu nennen, obwohl ich mich von meiner Abreise aus Rhodesien an weigerte, noch darauf zu hören. »Nathan, warum nennst du mich so, wenn ich den Namen so sehr hasse?« »
Ich
hasse ihn nicht«, sagte er ruhig und fühlte sich im Recht.
    Er lachte nie. Nein, das stimmt nicht. Er lachte schon. Aber immer sarkastisch, böse, verächtlich oder mit zittriger Traurigkeit angesichts des Unabwendbaren.
»Nun, und was noch?«
    Nathan rackerte sich für die südrhodesische Labour Party ab, und für Race Relations, und wenn Charles Olley seinen Gegnern schmutzige anonyme Briefe unter der Tür durchschob, in denen er Mrs. Maasdorp angriff, zog er oft persönlich los, um die Sache mit den Bürgern zu diskutieren, die oft verunsichert waren, weil dieser leidenschaftliche und exotische Ausländer Dinge sagte wie: »Nun, wenn Sie schon nichts für den Sozialismus übrighaben, obwohl Sie eines Tages sehen werden, dass er die einzige
mögliche
Lösung darstellt, wie bringen Sie dieses Verhalten dann aber mit dem Christentum in Einklang – das doch die Grundlage dieser Kultur ist? Dieser
sogenannten
Kultur.«
    Er machte sich über alles, was er erlebte, detaillierte Aufzeichnungen, über sämtliche Treffen, Ereignisse, Skandale, Gespräche. Wir sagten immer, wenn Nathan etwas aufschreibt, dann ist jede Silbe und jede Tatsache korrekt wiedergegeben, aber seine Interpretationen, seine Berichte darüber sind vollkommener Unsinn, denn er versteht nie, was irgendwo wirklich los ist.
    Er gründete auch eine Zeitschrift, zu der ich Tipps für Rezepte und Kurzgeschichten beitrug und Anzeigen von erstaunten Geschäftsleuten beschaffte. »Warum sollte ich in einem Blatt annoncieren, das meine Abschaffung propagiert?« »Ach, warum denn nicht? Sie können es doch von der Steuer absetzen.«
    Wir schätzten, dass er achtzehn Stunden am Tag arbeitete. Das kam daher, dass er nicht nur Dorothy geheiratet hatte (wozu sie sich entschlossen hatten, als sie schwanger geworden war), sondern ihre Mutter gleich mit. Dorothy war nämlich mit ihrer Mutter verheiratet: Das sagten wir, indem wir diese Beziehung, wie so viele andere auch, frei nach D. H. Lawrence interpretierten. Jeden Morgen um neun erschien Mutter Harty (ein passender Spitzname) im Haus ihrer Tochter und blieb den Rest des Tages dort. Dorothy saß ihr bitter lächelnd gegenüber, war vor Groll erstarrt und ließ sich vor lauter Hemmungen, die mir nur allzu vertraut waren, alles gefallen. Beide Frauen rauchten in eleganter Pose mit ihren langen Bernsteinzigarettenspitzen. Harty war kräftig gebaut, sportlich, laut, und sie trank große Mengen Gin Tonic, was Dorothy, weil sie so entnervt war, ebenfalls tat. Zu Nathan war Harty einfach unverschämt. Sie sagte beispielsweise: »Dorothy hat nur einen Juden geheiratet, um mich zu ärgern.« Wir sagten ihm, er solle sie rausschmeißen, ihr sagen, dass sie nicht jede wache Minute in seinem Haus verbringen könne. Er meinte, Dorothy müsse sie rausschmeißen und nicht er. Unter uns gab es drei Frauen, die, wie man damals sagte, »sich nie gegen ihre Mütter behauptet« hatten – die nie diesen rituellen Akt vollzogen hatten, der die notwendige Voraussetzung für ihr psychisches Wohlergehen war. Wir wussten, was diesen Müttern fehlte, die nur durch ihre Töchter zu leben verstanden: Sie brauchten Arbeit und ein eigenständiges Leben. Wir hatten sicher recht. Aber sie gehörten einer anderen Generation an. Die Töchter hatten in jedem Fall zu leiden. Wenn sie sich, wie ich, gegen ihre Mütter behaupteten, mussten sie damit leben, dass sie als lieblos galten, wenn sie es nicht taten, waren sie gelähmt wie hypnotisierte Kaninchen im Scheinwerferlicht eines Autos.
    Dorothy verlor ihre Lebenskraft. Sie litt unter Kopfschmerzen, Migräne, unendlich lang anhaltenden, manchmal wochenlangen Regelblutungen und war ständig krank. Und sie war oft unglücklich wegen Nathan, der für seine Firma in ganz Süd- und Nordrhodesien und in Njassaland umherreiste. Er hatte, schon als er in Dorothy frisch verliebt war, verkündet, dass keiner ein Leben lang ein und denselben Menschen lieben könne und dass er auf jeden Fall die Absicht habe, Seitensprünge zu machen, allerdings nur, wenn er sich wirklich verliebe. Diesen Grundsatz bekräftigte er vor jeder Reise aufs

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