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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Geschichten herausgreifen würde, wären es
Der neue Mann –
wo der Zusammenhalt der weißen Farmer beschrieben wird –,
The Nuisance, Der Zauber ist nicht verkäuflich
und
Der alte Häuptling Mshlanga
, eine Erzählung, deren »politische Korrektheit« (dem neuen Dogma zum Trotz, wonach Weiße nicht über Schwarze schreiben können) dadurch über jeden Zweifel erhaben sein dürfte, dass ein junger schwarzer Nigerianer sie unter seinem Namen und mit einem anderen Titel bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb einreichte. In dem Band steht auch eine Geschichte mit dem Titel
Klein-Tembi
, die mit den Worten endet: »Was
wollte
er denn … Was ist es nur, was er die ganze Zeit
gewollt
hat?« Was er, was sie alle wollten – ein warmherziges, großzügiges, offenes Teilhaben an den Vorteilen der »weißen« Zivilisation statt Türen, die ihnen vor der Nase zugeschlagen wurden, statt Kälte und Engherzigkeit.
    Über Old Smoke redeten wir allerdings häufig, denn wir saßen oft dabei, wenn er und mein Vater ihre langen, gemächlichen Gespräche führten, die etwas von dem geruhsamen, stockenden und zögernden Zwiegespräch zwischen Tauben zur Mittagszeit hatten, dahinplätscherndes Gemurmel, dann eine lange Stille, dass man schon meinen konnte, das Gespräch wäre zu Ende, aber nein, der Faden wird wiederaufgenommen: Da ist noch was … Ja? … Noch etwas … Was denn? … Die Sache mit der Kuh … Ja, stimmt … Was sollen wir dabei machen? … Ich rede mit dem Hirtenboy … Ist schon komisch mit den
mombies …
Die wissen, was sie wollen … Die schwarze Kuh braucht
muti …
Sag es dem Hirtenboy, Smoke … Ja, ja, ich sag es dem Hirtenboy … Stille. Eine lange Stille. Nkosi? … Ja, was gibt’s, Smoke? Mit Jonahs Frau … Nein, Smoke, ich muss mich doch nicht mit euren Eheproblemen abgeben … Das ist wahr, aber … Also raus damit … Ihr Baby ist krank, und Sie müssen es ins Krankenhaus bringen … Wie kann ich das tun, wenn sie nicht oben zu uns ins Haus kommen will? … Sie müssen Jonah sagen, er soll seiner Frau sagen, dass sie das Kind von Ihnen ins Krankenhaus fahren lassen soll … Das solltest du ihm sagen, Smoke … Ich habe es ihm schon gesagt, und jetzt müssen Sie es tun … Langes Schweigen. Jonah ist ein Mann, an dem innerlich ein
skellum
nagt … Was für ein
skellum
, Smoke? … Deshalb ist er immer so gereizt. Deshalb schlägt er seine Frau … Und wie können wir ihn von dem
skellum
heilen, Old Smoke? … Ah, Nkosi, das ist nun ein schweres Problem. Nur der Nkoos Pezulu kann Jonah von seinem
skellum
heilen …
    Und damit waren sie wieder einmal bei ihrem Steckenpferd: Sie philosophierten. Die beiden Männer konnten den ganzen Vormittag so dasitzen, und das gleichmäßige Gurren der Tauben begleitete ihre Stimmen, die über der Hitze schwebten, über der Stille des Buschs, aus dem sich gelegentlich kontrapunktisch andere Vogelstimmen erhoben. Diese Gespräche wurden stets im Küchenkaffer geführt, der erbärmlichen Sprache, derer sich damals alle Weißen bedienten, einer Mischung aus Afrikaans, Shona und Ndebele, die nur den Imperativ kannte: Tu dies, Bring mir das, Geh dorthin. Es gab aber auch sensible Ausdrucksformen.
    Der angenehme, zwanglose Umgang zwischen meinem Bruder und mir war den Zeiten vorbehalten, in denen wir allein waren. Sobald seine Schulkameraden auftauchten, verbündete er sich mit ihnen. Sein bester Freund war Dick Colborne, der am anderen Ende des Distrikts wohnte und mit dem er in Ruzawi im Internat war. Er kam mit dem Fahrrad, um, wie es damals üblich war, den Tag bei uns zu verbringen, oder die Colbornes kamen zum Tee, oder wir besuchten sie, und man erwartete von den Kindern, dass sie zusammen draußen spielten. Dick und mein Bruder machten mir das Leben schwer, indem sie mich als Mädchen auslachten oder so taten, als ob sie Steine nach mir würfen, oder tatsächlich welche warfen, die – da sie Meister im Werfen waren – so gezielt waren, dass sie mich nur um wenige Zentimeter verfehlten. Sie versuchten, mich bei Wanderungen durch den Busch abzuschütteln. Sie lockten mich auf einem
kopje
auf hohe Felsen, auf die ich nicht alleine klettern konnte, und liefen dann fort, um zuzusehen, wie ich mich heruntermühte, und lachten dabei laut und heiser. Sie verhielten sich mir als Mädchen gegenüber genau so, wie es ihre Schule vorschrieb, und ihr Verhalten wurde von Jahr zu Jahr schlimmer und setzte sich auch fort, als sie auf der

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