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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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ihr Haus von unserem aus sehen. Die Familie bestand aus Big Bob Matthews und Little Mrs. Matthews und Bobby Matthews, der viel älter war als wir und seinem Vater in den Ferien schon zur Hand ging. In ländlichen Gegenden, wo man sich die Nachbarn nicht aussucht, kann man es sich nicht leisten, diesen oder jenen nicht zu mögen, man muss miteinander auskommen, weil man in enger Abhängigkeit voneinander lebt. Dennoch konnten meine Eltern Big Bob nicht leiden. Wir Kinder auch nicht: Wir mochten Little Mrs. Matthews, die häufig anrief, um uns zum Tee einzuladen, zum schottischen Tee, zu dem es mindestens zwanzig verschiedene Kuchen gab, Plätzchen, Scones, Pfannkuchen, Butterkekse, genug für ein Festgelage. Sie war immer allein, ihre Männer unten auf den Feldern. Allein und einsam – wie so viele Farmersfrauen. Aber das war uns nicht bewusst, wir hielten ihr Betteln darum, doch noch ein bisschen länger zu bleiben – warum müsst ihr schon gehen, kommt doch morgen wieder –, für bloße Höflichkeit. Ihre weiche schottische Stimme, die unablässig plauderte und von ihrer längst vergangenen Jungmädchenzeit in Schottland erzählte, davon, wie sie Big Bob kennengelernt hatte, als Polizisten, der seine Runde machte, wie sie ihn geheiratet hatte – wir hörten zu, und ich höre sie noch, diese Stimme mit ihrem eigentümlichen Charme, aber das, wovon sie erzählte, war uns zu fern. Und bald hatten wir Ausreden parat, wenn Little Mrs. Matthews anrief.
    Die Whiteheads waren längst nicht mehr die Verwalter der Mandora Mine. Wohin waren sie gegangen? Niemand wusste es, niemand scherte sich darum. Leute kamen und gingen. Es gab einen neuen Verwalter dort, und Harry und ich gingen gern hin, um zuzusehen, wie das Erz zerstampft und gespült wurde, um es von der Schlacke zu trennen. Ein heißer, staubiger, nach scharfer Säure riechender Ort, mit einem Bergwerksbüro, in dem Gesteinsbrocken von Quarzgängen aus dem ganzen Distrikt auf einem Regal ausgestellt waren. Einige davon hatten Harry und ich mitgebracht und uns sagen lassen: »Nein, das ist nur Eisenkies, das ist bloß Pyrit.« Oder: »Gar kein schlechter Brocken. Das da ist ein Körnchen echtes Gold. Sagt eurem Vater, da soll er Proben nehmen.«
    Kurz hinter der Mine lag das Haus der MacDonalds, die drei Kinder hatten, eines davon war Norah. Wir machten zusammen das, was Mädchen tun, probierten gegenseitig unsere Sachen an, brachten uns neue Rezepte bei.
    Old man McAuley war der Besitzer der Ayreshire Mine. Ich habe ihn in einer Geschichte mit dem Titel
Der Ameisenhügel
beschrieben. Bei ihm habe ich nichts dazuerfunden, aber mein Verwalter und seine Frau stammten von einer anderen Mine in einem anderen Distrikt, aus einer Geschichte, die man mir über einen kleinen Arbeiter und Alkoholiker erzählt hatte, den die Frau des Verwalters herumkommandierte. Mr. McAuley war einsam, obwohl er farbige Kinder in der Schwarzensiedlung hatte. Er freute sich, wenn wir ihn besuchten. In seiner Hütte, bestehend aus zwei Zimmern unter einem Wellblechdach, war es immer furchtbar heiß. Er lebte von gekochtem Rindfleisch mit viel Fett und Kartoffeln. Er war ein unbeschreiblich reicher Mann. Neben seinem Bett lag
Im Westen nichts Neues
, die obszönen Stellen hatte er unterstrichen. Mein Vater hegte eine tiefe Abneigung gegen Mr. McAuley, weil er seine Arbeiter betrog, Kriminelle einstellte und sich weigerte, seine eigenen unehelichen Kinder anzuerkennen. Was nicht hieß, dass die beiden Männer nicht stundenlang dasitzen und sich über den Krieg unterhalten konnten.
    Der andere ausgesprochen reiche Mann im Distrikt war Mr. Muirhead, ein australischer Klempner, der nach Südrhodesien gekommen war, weil er von Natur aus ein Weltenbummler war. Er hatte ein Stück Land in der Nähe von Salisbury gekauft, durch das später die Eisenbahnstrecke von Salisbury nach Umtali verlief. In Banket kaufte er eine Farm und stellte die MacDonalds als Verwalter ein. Er war Vegetarier und lebte ausschließlich von Brot und gekochtem Gemüse. Er las die Bibel und Zeitschriften über gesunde Lebensführung. Noch mit neunzig kletterte er auf das Wellblechdach seines kleinen Steinhauses, um die Regenrinne auszubessern. Er bekam Malaria, weil er es nicht für nötig gehalten hatte, vorsorglich Tabletten zu nehmen, und meine Mutter ging durch den Busch zu ihm, um ihn zu versorgen. Auf ihrem Weg musste sie an einer Stelle vorbei, wo zwei Kapkobras lebten, die Harry und ich schon oft gesehen

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