Unter die Haut: Roman (German Edition)
hatte.
In diesem Moment hatte sie ihn angelächelt, und allein bei der Erinnerung fing er an, mit den Zähnen zu knirschen. Es war so verdammt wissend gewesen, dieses Lächeln, so anzüglich. So, als ob sie direkt in sein Inneres sehen könnte und sagen wollte: »Du magst dich ja für einen ganz braven Kerl halten, weil du ein paar Jahre lang enthaltsam gewesen bist, aber mir kannst du nichts vormachen. Ich weiß genau, was du dir jetzt wünschst.« Dann hatte sie ihn ihrerseits mit einem raschen Blick von Kopf bis Fuß gemustert und schließlich die Lider gesenkt, während auf ihren Lippen weiterhin dieses wissende Lächeln lag. Bis der Aufzug auf ihrem Stockwerk anhielt, hatte sie ihm keinerlei Beachtung mehr geschenkt. Sie hatte sich von der Wand abgestoßen, war wortlos an ihm vorbeigerauscht und in ihrer Wohnung verschwunden.
»Prostituierte?« Vincents Freund Keith Graham blieb hinter ihm stehen. Er beugte sich über Vincents Schulter, um zu lesen, was auf dem Bildschirm stand. »Arbeitest du denn an einem Fall, der was mit Prostituierten zu tun hat?«
»Nein.« Ehrlich, wie er war, kam Vincent nicht einmal auf die Idee zu lügen. Er schob seinen Stuhl ein Stück von Computertisch zurück und drehte sich auf dem Sitz herum, um seinen Kollegen anzusehen. Er kam sich unbeschreiblich blöd vor, als er Keith erzählte, was er gerade gemacht hatte … und warum.
»Heiliger Strohsack, Vince«, murmelte Keith, als er geendet hatte. Er lehnte sich gegen den nächststehenden Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin hin- und hergerissen, ob ich deinen Hormonen gratulieren soll, weil sie sich endlich aus dem Käfig befreit haben, in den du sie eingesperrt hast, oder ob ich mir Sorgen machen soll, dass sie zu lange eingesperrt waren und dein Hirn jetzt völlig außer Betrieb setzen.«
»Sie sagte, ich würde an Wahnvorstellungen leiden.«
»Na ja, Alter, das wundert mich nicht. Versetz dich doch mal einen Moment lang in die Lage der Frau. Für mich klingt das, als hätten ihr ein paar Freunde beim Umzug geholfen, und du ziehst gleich Gott weiß was für Schlüsse, nur weil sie ein paar Kondome in der Hand hält.«
»Ein paar, verdammt noch mal! Das müssen Hunderte gewesen sein!«
Keith rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und sah seinen Freund erstaunt an. »Die Leute sammeln alles mögliche merkwürdige Zeug, Vincent. Du weißt das, ich weiß das. Selbst wenn sie vorgehabt hat, sie alle an einem Abend aufzubrauchen, besteht immer noch ein gewaltiger Unterschied zwischen einer sexbesessenen Amateurin und einer Professionellen, die sich dafür bezahlen lässt.«
»Ja, schon gut, ich weiß. Sie hat keine Vorstrafen, und ehrlich gesagt hatte ich auch gar nicht erwartet, etwas über sie zu finden.« Vincent lächelte der hübschen blonden Polizistin zu, die an den Tisch trat und sich erkundigte, ob er am Computer fertig sei. Er löschte seine Einträge, schob den Stuhl vom Tisch weg und erhob sich, um ihr Platz zu machen. Während er zu seinem Schreibtisch ging, sagte er leise: »Ich glaube, ich hätte es gern, dass sie eine Prostituierte ist, Keith. Dann könnte ich sie einfach abschreiben. Sie hat so eine Art, mich anzusehen, die alle meine Prinzipien über den Haufen wirft.«
»Das wäre wahrscheinlich nicht einmal das Schlechteste«, erwiderte Keith. Er betrachtete seinen Freund nachdenklich. »Nicht alle Frauen sind so wie LaDonna, Vincent.«
»Oh, bitte.« Vincent bemühte sich, seiner zunehmenden Gereiztheit Herr zu werden. Er hatte jetzt wirklich keine Lust, über seine Exfrau zu reden. »Das weiß ich, okay? Ich sehe die Opfer genauso oft wie du.«
»Mit dem Kopf vielleicht.«
Vincents schwarze Augen wirkten plötzlich kalt und abweisend, als er den Mann ansah, den er als seinen besten Freund bezeichnete. »Und das heißt?«, fragte er und war sich im gleichen Augenblick sicher, dass er nicht hören wollte, was nun kam.
Er hatte Recht.
»Das heißt«, erklärte Keith ohne Umschweife, »dass LaDonna Baxter D’Ambruzzi, oder wie sie sich derzeit nennt, es geschafft hat, dich zum emotionalen Krüppel zu machen.« Er zögerte einen Moment, bevor er beschloss, offen zu sagen, was er dachte. »Sie hat dich nicht nur um die Hälfte deiner Freunde gebracht, als sie dich mit ihnen betrogen hat, Vincent. Sie hat dich auch um deinen Verstand gebracht.«
2
Vincent erstarrte. »Was willst du damit sagen, Keith?«, fragte er mit leiser Stimme. »Glaubst du, dass ich
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