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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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fühlte sich kalt an. Vielleicht war sie im Schlaf darauf gelegen, und der Schmerz hatte ihren Traum ausgelöst? Aber woher stammten die Kratzer auf ihrem Handrücken? Sie sahen aus, als hätten lange Krallen ihre Hand gestreift! Hatte sie sich im Schlaf selbst gekratzt?
    Da fiel ihr ein seltsamer Schatten an einem der Fenster auf. Es sah aus, als liege ein großes Knäuel schwarzer Wolle auf dem Fensterbrett. Strähnen hingen davon herab. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie etwas Derartiges auf dem Fenster gesehen hatte. Und was war das? Das Gewirr bewegte sich, die Strähnen zuckten, als lebten sie. Das Knäuel nahm an Volumen zu, bis es so groß wie der Kopf eines Mannes war. Träumte sie noch? Jetzt hatte sie den Eindruck, dass sie aus dem schwarzen Ball heraus rot funkelnde Augen anblickten! Sie waren facettenreich wie die Augen einer Spinne und leuchteten von innen heraus in einem höllischen Licht.
    »Sankt Walburga, schütze mich!«, rief Julia laut aus. »Was ist das?«
    Da plumpste das Knäuel vom Fensterbrett und verschwand draußen in der Nacht.
    Jan murmelte und grunzte gestört, wachte aber nicht auf. Er drehte sich nur auf die andere Seite und schlief wieder ein. Julia war nicht sicher, ob sie nicht kurz eingeschlafen war und erneut geträumt hatte. Sie schlüpfte aus dem Bett, schlich im Mondlicht zum Waschtisch hinüber und kühlte sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Jetzt wusste sie wenigstens mit Sicherheit, dass sie wach war.
    Plötzlich hörte sie ein dumpfes Dröhnen im Wald unterhalb des Schlosses. Das Licht von Scheinwerfern blitzte zwischen den Bäumen auf. Ein Wagen kam die Forststraße herauf und hielt vor dem Tor an. War das Markus von Weldern, der zu später Stunde noch anreiste? Nein, der Mann, der ausstieg und den schweren Klopfer am mondlichtbeleuchteten Tor hob, war nicht der Schlossherr. Er war schätzungsweise an die sechzig Jahre alt, groß und stattlich, mit dichtem, gelblich weißem Haar, das er im Nacken zu einem Zopf gebunden trug. Sein Kinn zierte ein kurzer Vollbart. Er klopfte noch einmal. Dann sah Julia, wie das Tor geöffnet wurde. Bühler steckte den Kopf heraus, begrüßte den Ankömmling und half ihm, mehrere Koffer und Taschen aus dem Auto ins Haus zu tragen.
    Wer mochte das sein? Ein Rechtsanwalt der Familie vielleicht? Aber wozu brauchte ein Anwalt diese vielen seltsam geformten Behälter, die mit großer Vorsicht ins Haus geschafft wurden?
    Julia kroch fröstelnd ins Bett zurück. Eine Weile lag sie still da, bis ihr Blick zufällig auf den Teppich neben der Schlafstätte fiel. Da war das zottige schwarze Knäuel wieder! Und noch während sie es beobachtete, begann es, sich zu bewegen, kroch auf einen Stuhl zu und wand sich empor. Dann begann sich langsam eine Gestalt zu bilden.
    Julia lag wie gebannt in ihrem Bett und atmete kaum. Ihr Blick hing gebannt an der dunklen Wolke, die rund um den Stuhl aufstieg. Langsam nahm sie festere Formen an, bis zuletzt die Gestalt einer Frau deutlich sichtbar auf dem Stuhl saß. Sie war jung und sehr schön. Langes blondes Haar wallte auf ihre Schultern herab. Der Mund war klein und voll und sogar im Halbdunkel erschreckend rot. Sie trug ein enges Mieder, unter dem eine weiße Bluse hervorsah, und einen weiten, mit vielen bunten Perlen bestickten Rock. Ein Übermaß von Juwelen glitzerte an ihrem Hals, ihren Handgelenken und auf ihrer Brust.
    Wie schön sie war!
    Wie verlockend der kleine, blutrote Mund!
    Und doch wusste Julia, dass sie ein Geschöpf der Schatten war, dass ihre Haut nach Erde schmeckte und ihr Mund nach kaltem Blut!
    Mit leiser, lieblicher Stimme flüsterte die Erscheinung: »Junge Frau, Julia, willst du nicht zu mir kommen? Ich kann dir viele Wünsche erfüllen. Ich kann dich glücklich machen! Du brauchst Geld? Hier im Schloss liegt viel davon verborgen, ich werde dir zeigen, wo du es findest!« Sie wandte Julia das Gesicht zu, aber die junge Frau sah keine Augen, sie erblickte nur Löcher.
    Im selben Augenblick krähte draußen ein Hahn.
    Da verlor die Gestalt an Kraft und verschwand allmählich. Starr vor Entsetzen sah Julia zu, wie ein großes schwarzes Knäuel unter dem Stuhl hervorrollte, auf das Fensterbrett sprang und nach draußen verschwand.
    Julia lag still im Bett. Ihr Herz pochte heftig, ihre Hände und Füße waren eiskalt. Kein Zweifel, das war das Gespenst der Vampirgräfin gewesen! Wie die Gestalt sie angesehen hatte, mit diesen Augen, die wie schwarze Löcher waren! Noch jetzt schüttelten

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