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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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auf, und Julia sah Professor Pike voll angekleidet draußen stehen. Neben ihm drückte sich Werner herum.
    »Werner hat mich hierher geführt«, erklärte er, trat ein und zog den Jungen, der zugleich stolz und ängstlich aussah, an der Hand herein. »Er ist ein sehr begabter junger Mann, aber ich bin der Erste, der das entdeckt hat. Er wird meine Arbeit erheblich einfacher machen.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Jan neugierig.
    »Werner ist ein großartiges Medium. Nicht wahr, junger Mann?« Jonathan Pike legte schützend einen Arm um die schmalen Schultern des Jungen. Werner strahlte, als der berühmte Professor ihn lobte. Der fuhr fort: »Er sagte mir, dass wir hier suchen müssen.« Sein Blick glitt suchend durch den Raum. »Was haben Sie beobachtet? Es ist hier doch etwas Ungewöhnliches geschehen, nicht wahr?«
    »Ja, tatsächlich.« Jan hatte sich noch nicht völlig von seiner Verblüffung über den nächtlichen Besuch erholt. »Ich wachte auf und ...« Er schilderte dem Professor in allen Einzelheiten, was er gesehen hatte. Julia ergänzte seinen Bericht mit der Schilderung der unheimlichen Vision, die sie am Vortag heimgesucht hatte.
    Der Professor nickte. »Warten Sie einen Augenblick«, befahl er mit fester Stimme. »Ich hole nur meine Tasche.«
    Als er bald darauf zurückkehrte, trug er einen Lederkoffer in der Hand. In der anderen hielt er ein kleines Kunstwerk aus Bronze: Eine Hand, die eine Schlange in die Höhe hob.
    »Was ist das?«, wollte Julia wissen.
    »Ein alter Talisman, der das Böse abwehrt. Seine Kraft ist nicht übermäßig groß, aber ich denke, für den Rest der Nacht wird er genügen. Morgen nehme ich dann die gesamte Zeremonie vor.« Er stellte die Schlange auf den Tisch am Fenster und benetzte sie mit einigen Tropfen verschiedener Tinkturen, die er in seinem Koffer aufbewahrte. Dann zeichnete er mit einem Stück geweihter Kreide dasselbe Schlangensymbol auf das Betthaupt. Schließlich ließ er einige Tropfen einer rötlichen Flüssigkeit auf das Fenstersims fallen, zündete sie an und sah zu, wie sie verbrannten. Feiner, angenehm duftender Rauch stieg auf. Bläulich gelbe Flämmchen flackerten eine Weile lang, dann erloschen sie.
    Julia fühlte, wie die Luft im Raum wieder rein und klar wurde. Sie atmete tief durch. »Das tut gut! Was ist das, was Sie hier verbrannt haben?«
    »Eine Essenz, die man in China verwendet, um Räume von bösen Geistern zu reinigen. Ich sagte Ihnen ja schon, ich bin weit herumgekommen – aber darüber plaudern wir morgen. Sie brauchen Ihren Schlaf.«
    »Und Sie? Gehen Sie nicht zu Bett?«
    »Nicht sofort. Ich werde mit Werner noch im Haus herumgehen und mir ansehen, was er mir zu zeigen hat. Gute Nacht!« Die Tür schloss sich leise hinter den beiden.
    »Nun«, sagte Jan, »ich hoffe, jetzt können wir ungestört schlafen.«
    Sie schlüpften wieder ins Bett. Den Rest der Nacht schliefen beide tief und ruhig.
    * * *
    Beim Frühstück teilte Joschka Bühler ihnen mit, dass gegen Mittag ein Trupp polnischer Arbeiter aus Gmünd eintreffen würde. Den Männern war nur gesagt worden, sie sollten eine verwahrloste Rumpelkammer ausräumen. Da außer dem Vorarbeiter keiner Deutsch sprach, bestand keine Gefahr, dass ihnen die wahre Geschichte zu Ohren kam.
    Der Professor nickte zufrieden, als er das hörte. »Dann wollen wir uns jetzt ans Werk machen und unseren Teil der Arbeit tun. Sind Sie bereit?«, fragte er, wobei er ihnen einen großen, geschmiedeten Schlüssel vorwies. »Der Morgen ist klar und hell. Jetzt ist die rechte Zeit, die Vampirin aufzustöbern.«
    Sie brachen alle auf, umrundeten das Schloss und schritten über den Hügel, auf dem es erbaut war. Von der Kuppe führte der Pfad abwärts in eine feuchte Senke, in der mächtige alte Erlen und Trauerweiden wuchsen. Bald standen sie vor einem Mausoleum aus schwarzgrauem Stein, dessen schmiedeeisernes Tor fest verschlossen war. Es stand, von einem kniehohen Gitter umgeben, einsam zwischen den Bäumen. Auf dem Torbogen war das Wappen der Familie von Weldern angebracht. Zwei bronzene Greifen bewachten den Eingang.
    Joschka Bühler schob den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Knarrend schwang die Gittertür auf.
    Julia zögerte. Ihr rann trotz der hellen Sonne und der fröhlich zwitschernden Vögel ein kalter Schauder den Rücken hinab. Markus von Weldern erging es wohl nicht anders. Er blieb stehen und ballte die Fäuste. Sein Atem ging schwer. Er war bleich geworden und grub die Zähne in die

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