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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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auf. Sie waren zugleich scharf und angenehm, bitter und süß. Mit dem Duft wallte zarter Nebel auf, der den Sarkophag füllte und darüber eine Wolke bildete.
    Julia unterdrückte im letzten Moment einen Aufschrei, als sie sah, dass sich die im Sarg herumwimmelnden Würmer plötzlich in Funken verwandelten, zischten und erloschen. Sie begriff schlagartig: Das waren keine gewöhnlichen Würmer gewesen, sondern Manifestationen einer dämonischen Macht! Und jetzt begann das elektrische Pentagramm zu summen, erst leise, dann immer lauter, bis es ein deutlich hörbares »Ommm!« wurde. Winzige Blitze zuckten durch das Halbdunkel. Julia sah, warum der Professor ihnen befohlen hatte, sich nicht dem Gitter der Gruft zu nähern: Blaue elektrische Schlangen züngelten von einem Schnörkel zum anderen, huschten an den Stäben entlang und lösten sich in Funkenregen auf.
    In der Gruft herrschte nun eine Atmosphäre äußerster Spannung. Der Professor schritt feierlich um den Sarkophag und rezitierte den Exorzismus in einer fremden, seltsam klingenden Sprache. Seine Stimme schwoll an, bis sie wie Donner in dem unterirdischen Raum hallte. Mit einem Mal zischte es, als würde ein Eimer Wasser auf eine glühende Platte gegossen. Aus der Mitte des Pentagramms fuhr eine Gestalt hoch, halb durchsichtig, aber immer noch erkennbar. Dieselbe schöne Frau, die Julia in der nächtlichen Vision gesehen hatte. Aber wie sah sie jetzt aus! Ihre blauen Augen glühten in einem giftigen Glanz. Ihr blondes Haar war in bleiche Flammen gehüllt und züngelte zischend nach allen Seiten. Sie hatte die Lippen hochgezogen und fauchte wie eine wütende Katze. Ihre Hände waren zu Klauen gekrümmt, an denen lange Krallen glitzerten. Nur eine Sekunde war sie so sichtbar. Dann gab es einen Knall, als wäre eine der Röhren explodiert, und die Erscheinung verpuffte ins Nichts. Professor Pike beugte sich vor und schaltete den Strom ab. Die Röhren verblassten und erloschen. Jetzt erst sah Julia, dass keine von ihnen geborsten war. Der Sarkophag aus massivem Stein war zersprungen! Von einer Seite zur anderen klaffte ein handbreiter Riss, sodass der Behälter in zwei Teile zerfallen war.
    Der Professor atmete tief durch. »Das Ritual war erfolgreich«, verkündete er. »Hierher kann sie nicht mehr zurückkehren. Nun müssen wir noch möglichst schnell den zugemauerten Raum aufbrechen, damit sie nicht dort eine Zuflucht findet.«
    * * *
    Noch vor dem Mittagessen erschienen die Arbeiter. Kurz darauf standen sie alle vor der zugemauerten Tür, begleitet von den vier Polen mit ihrem Vorarbeiter, die Brecheisen, Meißel und Hämmer bei sich trugen. Der grüne Damastvorhang wurde abgenommen, und die Meißel bissen ein erstes Loch in den Mörtel.
    Julia sah zu, wie sich seitlich langsam ein Loch öffnete, hinter dem es stockdunkel war. Beißender, stickiger Geruch schlug ihnen entgegen. Die Schwärze schien aus dem Raum zu fließen. Endlich war ein mannsgroßer Einstieg ausgehauen, und Joschka Bühler leuchtete mit einer Stablampe hinein, hustete augenblicklich und wich zurück. Da war etwas – das Gefühl einer Gegenwart, als lauere etwas in den tiefen Schatten. Doch kein Laut drang aus dem schrecklichen Kerker.
    Die Männer machten sich von Neuem ans Werk. Anfangs hatten sie noch fröhlich geschwatzt und gesungen, während sie die Ziegel herausbrachen. Aber jetzt merkte Julia, wie ihnen zusehends unheimlicher wurde. Sie arbeiteten rasch und stumm. Bald war die Hälfte der Mauer eingerissen, und der schauerliche Raum bot sich den Blicken dar.
    Das Licht der Stablampe fiel auf Spinnweben, die sich von der hohen Decke bis zum Baldachin eines Himmelbetts spannten. Zerlumpte Bettwäsche, fleckig und vergilbt, lag auf dem Boden. Rings im Zimmer häuften sich verstaubte, aber ehemals prächtige Kleider, Nachthemden und Unterröcke, die aus dem Schrank gerissen und im ganzen Raum umhergeschleudert worden waren. Schmutz klebte an den ehemals weiß-golden getünchten Wänden. Der Boden war übersät mit Kleinkram – viel davon zertreten und zertrampelt. Joschka Bühler zündete eine Kerze an und hielt sie hinein. Der Schein flackerte heftig und erweckte seltsame Schatten zum Leben. Es sah beinahe so aus, als bewege sich eine große, verzerrte Gestalt an den Wänden entlang auf die Tür zu. Dann war das Gefühl einer feindseligen Gegenwart erloschen.
    Die Polen kamen mit einer Leiter wieder und begannen, das Mauerwerk aus einem der hohen Fenster herauszuschlagen. Ein

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