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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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musterte. Eine Wange des Masters war rot und geschwollen und passte farblich zu dem rötlichen Haarschopf.
    »Sie sehen nachdenklich aus, Mr Barthe, wie fast alle Schiffbrüchigen.«
    »Von der eigenen Mannschaft so behandelt zu werden«, grollte er. »Mit ansehen zu müssen, wie Freunde von anderen Mannschaftsmitgliedern ermordet werden. Das reicht, um einen gesunden Geist in die Melancholie zu treiben, da bin ich mir sicher.«
    Hayden nickte unmerklich. »Ja, Sie haben gewiss recht. Und jetzt frage ich mich, ob die Männer, die mit Ihnen in den Booten saßen, wieder gegen die alten Kameraden kämpfen werden. Haben sie dazu noch den Mut?«
    »Ich denke, sie werden kämpfen. Warten wir's ab. Es sind willensstarke Männer darunter, obwohl Hart alles unternommen hat, um die Mannschaft einzuschüchtern.«
    Das Schiff glitt in eine Nebelwand und geriet dann in Windstille. Um das Schiff herum nichts als eine zauberartige Welt aus waberndem Dunst inmitten einer unsichtbaren See.
    »Könnte eine Vorstufe des Hades sein, was, Mr Hayden?«, merkte Hawthorne an, während er und Hayden Kaffee auf dem Quarterdeck tranken. »Eine Hölle, in der Seeleute stranden und bis zum Ende der Welt ausharren müssen. Schauen Sie, wir scheinen in dem wabernden Nebel zu schweben.«
    »Für ein Inferno ist es aber recht feucht«, erwiderte Hayden und war überrascht, wie ernst der Leutnant der Seesoldaten gestimmt war. »Aber wir sind nicht in der Hölle. Zumindest nicht heute. Bill Stuckey und seine Spießgesellen müssten die Hitze des Höllenfeuers spüren. Ich habe kein Mitleid mit Hart, der sich dieses Unheil selbst zuzuschreiben hat, aber die armen Kerle, die unter ihm litten, werden vor den Richter gebracht. Und die Strafe wird hart ausfallen, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Vielleicht sollten wir beten, dass wir sie nicht einholen ...«, murmelte Hawthorne und wartete Haydens Reaktion ab.
    Der neue Kommandant schüttelte den Kopf. »Nein, auch wenn ich mich in jeden Mann, der unter Hart litt, hineinversetzen kann, so können wir einen Krieg nicht ohne Schiffe gewinnen, und wenn es Schiffe sind, die von Tyrannen kommandiert werden.«
    »Und was ist mit feigen Tyrannen?«, warf Hawthorne ein. »Mit Männern, die zu feige sind, sich dem Feind zu stellen?«
    »Man hätte Hart seines Kommandos entheben müssen, das ist meine Meinung. Aber das hätte die Admiralität tun müssen, nicht die Besatzung.«
    »Leider kam die Admiralität ihrer Aufgabe nicht nach und unterstützte ihren Mann noch.«
    »Mr Hawthorne, ich stimme Ihnen zu, dass es da einen moralischen Morast gibt, aber wir werden nur etwas dagegen unternehmen können, wenn wir die Sache selbst in die Hand nehmen. Es ist unsere Pflicht, die Themis zu kapern, falls es uns gelingen sollte, sie einzuholen. Genau das strebe ich an, und ich werde jeden Mann mit vorgehaltener Pistole zwingen, der sich nicht an diesen Befehl hält.«
    »Sie können sich auch auf meine Pistole verlassen, Mr Hayden, aber es ist alles so kompliziert. Seit ich an Bord kam, wurde der Gerechtigkeit nur ein einziges Mal Genüge getan, und zwar als Hart die Peitsche spürte. Leider durch die Hand eines Meuterers.«
    »Mr Hawthorne ...«, ermahnte Hayden ihn.
    In diesem Moment fuhr der Wind in die Segel. Sie blähten sich, und das Schiff nahm langsam Fahrt auf. Der bleiche Sonnenschein fiel hier und da durch den Nebel, der allmählich dünner wurde. Dennoch blieb die Welt um sie herum nicht größer als zwei Seemeilen, eingeschlossen von dem hellen, kristallartigen Nebel.
    Hayden fiel auf, dass die Midshipmen ein schwermütiger Haufen waren, da sie den beliebten Albert Williams verloren hatten, den Bert von »Trist und Bert«. Tristram Stock hatte gerötete Augen und schämte sich dafür. Mühsam hielt er die Tränen zurück, als Hayden mit ihm sprach.
    »Ich sage Ihnen, Mr Hayden«, begann er im Flüsterton, »die meisten Männer wollten keine Meuterei, aber der Kapitän trieb sie dazu. Das sah man in ihren Gesichtern, als alles vorüber war. Ich bin mir sicher, dass die meisten ein furchtbar schlechtes Gewissen haben. Viele haben Frauen und Kinder, die sie wohl nicht wiedersehen werden. Wir hatten vielleicht keine so exzellente Mannschaft wie auf der Tenacious , aber die meisten Männer waren im Grunde gutherzige Leute, die dann vom rechten Weg abkamen.«
    Sie sprachen noch ein wenig über Williams und erinnerten sich, dass er gern das Wort beredt einflocht, wenn er etwas sagte: »Ich habe eine sehr beredte

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