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Unter Freunden

Unter Freunden

Titel: Unter Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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eingetreten und hätte sich vor die beiden hingestellt, ein gebrochener Mann, wie konntet ihr nur, schämt ihr euch denn gar nicht! Doch schämen wofür?, fragte sich Nachum.
    Er stand schon ein paar Minuten im Nieselregen auf dem Weg vor dem Haus und drückte das Buch unter dem Mantel an sein Herz. Wegen der Regentropfen auf seinen Brillengläsern konnte er nicht klar sehen. Von fern war ein Donnergrollen zu hören, und der Regen wurde stärker. Nachum stellte sich unter das Vordach des Hauses und wartete. Er hatte noch immer keineAhnung, was er sagen sollte, wenn David ihm die Tür aufmachte. Und wenn es Edna wäre? David Dagans kleiner Vorgarten war vernachlässigt, überall wucherten Unkraut und Dornengestrüpp, auf dem viele weiße Schnecken klebten. Auf dem Fensterbrett standen drei Blumentöpfe mit verwelkten Geranien. Aus der Wohnung drang kein Geräusch, als wäre sie verlassen. Nachum trat seine Schuhe auf der Türmatte ab, zog ein zerdrücktes Taschentuch aus der Manteltasche und trocknete damit seine Brillengläser, steckte es wieder in die Tasche und klopfte zweimal an die Tür.
    »Du bist es«, sagte David herzlich und zog Nachum hinein. »Schön. Komm rein. Bleib doch nicht draußen stehen. Es regnet. Ich erwarte dich schon seit Tagen. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass du zu uns kommen würdest. Wir müssen sprechen. Edna«, rief er in die Wohnung hinein, »mach einen Kaffee für deinen Vater. Dein Vater ist endlich zu uns gekommen. Zieh deinen Mantel aus, Nachum. Setz dich. Wärm dich auf. Edna hat schon gefürchtet, du wärest böse auf uns, und ich habe ihr gesagt: Du wirst sehen, er wird kommen. Dir zu Ehren haben wir vor einer halben Stunde den Ofen angemacht. Ganz plötzlich kommt der Winter, nicht wahr? Wo hat dich der Regen erwischt?«
    Er legte seine große Hand auf Nachums Mantelärmel und sagte: »Wir müssen wirklich über diese ärgerliche Angelegenheit mit den jungen Leuten reden, die nach dem Militärdienst auf einmal alle direkt zur Universität gehen wollen, statt zu arbeiten. Vielleicht sollten wir in der Vollversammlung zumindest festlegen, dass alle jungen Männer und alle jungen Frauen nach der Armee drei Jahre im Kibbuz arbeiten müssen, und erst nach diesen drei Jahren dürfen sie einen Antrag zum Studium stellen. Was hältst du davon, Nachum?«
    Mit gepresster Stimme antwortete Nachum: »Aber ich verstehe nicht, wie …«
    David unterbrach ihn, legte ihm die breite Hand auf die Schulter und erklärte: »Gib mir nur einen Moment, um Ordnung in die Sache zu bringen. Ich bin nicht gegen das Universitätsstudium. Ich habe nichts dagegen, dass die gesamte junge Generation einen akademischen Grad erlangt. Im Gegenteil: Eines Tages wird jeder Melker bei uns Doktor der Philosophie sein. Warum auch nicht. Aber keinesfalls auf Kosten der notwendigen Arbeit im Stall und auf dem Feld.«
    Nachum zögerte. Er stand noch immer in seinem nassen, abgetragenen Mantel da, die linke Hand an die Brust gedrückt, damit das Buch, das sein Herz schützte,nicht zu Boden fiel. Schließlich setzte er sich, ohne den Mantel ausgezogen und ohne das Buch losgelassen zu haben.
    David lachte und sagte: »Du widersprichst mir bestimmt, Nachum. Hat es in all den Jahren einmal etwas gegeben, bei dem du mir nicht widersprochen hast? Und trotzdem werden wir immer Freunde bleiben.«
    Nachum hasste auf einmal David Dagans dichten, sorgfältig gestutzten Schnauzbart, in dem sich schon einige graue Haare zeigten, hasste David Dagans Gewohnheit, andere zu unterbrechen und nur einen Moment zu fordern, um Ordnung in die Sache zu bringen.
    Er sagte: »Aber sie ist deine Schülerin.«
    »Schon nicht mehr«, schnitt ihm David mit seiner gebieterischen Stimme das Wort ab. »Und in ein paar Monaten ist sie Soldatin. Komm her, Edna. Sag deinem Vater, dass niemand dich gewaltsam entführt hat.«
    Edna kam ins Zimmer, in einer braunen Cordhose und einem blauen Pullover, der ihr zu groß war. Ihre schwarzen Haare waren mit einem hellen Band zurückgebunden. Sie trug ein Tablett mit zwei Tassen Kaffee, einer Zuckerdose und einem Milchkännchen. Sie beugte sich vor, stellte das Tablett auf den Tisch und blieb etwas entfernt von den beiden Männern stehen, die Armeum die Schultern geschlungen, als wäre ihr sogar hier kalt, trotz des brennenden Petroleumofens mit seiner schönen, blauen Flamme. Nachum warf ihr schnell einen Blick zu, wandte aber sofort wieder die Augen ab und errötete, als hätte er sie versehentlich halb

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