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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Gegner durch eine gut liegende Kanonade außer Gefecht zu setzen.
    Die Matrosen an den Geschützen der »Astra« arbeiten wie die Besessenen. Die Rohre sind glühend heiß. Man achtet der Brandblasen an den Händen nicht. Brandblasen? Es gilt das Leben und die Freiheit! Kugeln herbei, Pulver heran! Schneller, schneller! »Geschütz fertig!« –
    »Geschütz fertig!« –
    Kugeln fliegen hinüber zu dem Korsaren.
    Kanonen werden durchgezogen, von neuem geladen.
    Meldung wird erstattet.
    »Feuer!« Wieder rasen Donnerschläge über das Deck der »Astra«. »Feuer, Feuer!« Schuß auf Schuß fällt.
    Es geht um das Leben, um die Freiheit! Die Geschützbedienungen merken nicht, was um sie her geschieht. Sie kennen nur einen Gedanken: Feuern, feuern, bis der Gegner zur Strecke gebracht ist.
    »Feuer!« Die Lunte glimmt auf, trifft das Pulver. Ein markerschütterndes Geschrei ertönt. Das Rohr ist ge-platzt. Die dem Geschütz am nächsten standen, sind tot, andere, die sich in diesem Augenblick gerade zur Seite gebückt hatten, um eine neue Kugel, den Wischer, Pulver oder sonst etwas aufzunehmen, werden als Schwer-verwundete davongetragen.
    Luigi Parvisi kommt die Treppe heraufgehetzt. Dicker, beißender Qualm und Rauch schlägt ihm in schweren Schwaden entgegen. Die »Astra« brennt an vielen Stellen. Dort züngeln Flammen an herabhängenden Segeln empor, da frißt sich das Feuer in das Deck. Das Schiff ist nicht mehr als ein schwimmender Trümmerhaufen. – Es gilt das Leben!
    Nur noch wenige Meter von der »Astra« entfernt der fremde Segler. Auch er schwer beschädigt. Ein – Korsar!
    Und die »Astra« gehorcht dem Steuer nicht mehr. Das Rad ist zertrümmert.
    In den Wanten des Piratenschiffes hängen wie Trauben dunkelhäutige Menschen: Türken, Araber, Mauren, Neger. In den Händen halten sie schwere Enterhaken. Wenige Minuten noch, dann wird sich die blutgierige Meute auf das Handelsschiff stürzen und Tod und Verderben verbreiten.
    Luigi Parvisi weiß, daß von den Korsaren keine Gnade zu erwarten ist.
    »Leichten Kaufs soll man mich nicht bekommen«, murmelt er. Plötzlich durchzuckt ihn der Gedanke an sein Kind und seine Frau.
    Parvisi brüllt auf wie ein Stier: »Genuesen, Italiener, Landsleute! Kämpft um die Freiheit, um das Leben!«
    Der Aufschrei verhallt ungehört. Auch Civones Befehl:
    »Feuer einstellen. Alles zwecklos. Nehmt die Hand-waffen, Leute!« dringt nicht mehr ins Bewußtsein der Mannschaft. Jeder weiß, daß er nun auf sich allein gestellt ist.
    Der Kaufmann blickt um sich.
    -
    »Eine Waffe, eine Waffe«, stöhnt er.
    Da liegt eine Axt. Einem toten Matrosen zieht er die Pistole und den Kugelbeutel aus dem Gürtel. Der arme Kerl braucht beides nicht mehr.
    Ein letzter Donnerschlag ertönt. Ein Verwundeter hat sich aufgerichtet, die Lunte mit zitterndem Arm an das Pulver gelegt, die Ladung aus dem Rohr gejagt, einen Augenblick bevor die Enterhaken der Piraten in das Tauwerk der »Astra« greifen konnten. Die Wirkung des Schusses ist verheerend. Die Hälfte der Aufbauten des Korsaren stürzt zusammen, zum Teil herüber auf den genuesischen Segler. Beide Schiffe sind unlösbar miteinander verbunden. Die Schar der Räuber ergießt sich auf das unglückliche Schiff.
    Fremde Laute quirlen aus heiseren Kehlen. Wutentstell-te Fratzen tauchen plötzlich überall auf. Zu dritt, zu viert, zu fünft stürzen sich die grausamen Gesellen auf jeden Mann der »Astra«. Es ist ein kurzer, ungleicher Kampf. Die furchtbaren Jatagans, die kurzen Krummschwerter der Korsaren, halten reiche Ernte.
    An einigen Stellen finden die Piraten unverhofften erbitterten Widerstand. Dorthin stürzen nun alle, die ihr blutiges Werk bereits vollbracht haben.
    Luigi hat einen großen Splitter des Hauptmastes der
    »Astra« gepackt und wirbelt ihn um sich. Die Gegner können wegen dieses gleichsam verlängerten Armes nicht bis zu ihm gelangen. Einige der Mauren und Türken hat er bereits mit dieser Waffe außer Gefecht gesetzt.
    Wenige Schritte von ihm entfernt kämpft der alte Waffenmeister um sein Leben. Bei jedem Hieb, den der Mann austeilt, schießt ihm vor Anstrengung das Blut aus vielen kleinen Wunden. Noch kann er aber mit voller Wucht um sich schlagen. Der Alte weiß, daß ihm nur noch wenige Minuten bleiben, während denen er Widerstand leisten kann, und das gibt ihm übermenschliche Kräfte.
    Ein Tau zischt durch die Luft. Eine Schlinge schließt sich um den Hals des Hünen. Ein Ruck. Der Waffenmeister stürzt zu Boden.

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