Unter Trümmern
Angaben zu notieren, auch die Zahl. Sie konnte nichts anderes bedeuten als die Summe des Geldes, die der LKW transportierte und die Brunner rauben wollte.
Da hörte sie von draußen ein Geräusch und schrak fürchterlich zusammen. War Jean-Luc aufgewacht? Sie machte sich noch kleiner und wartete hinter dem Schreibtisch darauf, dass er sie entdecken und zur Rede stellen würde. Aber nichts dergleichen geschah.
Als Dorle alles notiert hatte, steckte sie die Notizen und den Stift in ihre Rocktasche zurück, legte Jarrés’ Blätter ordentlich übereinander, schob sie in die Tasche zurück, die sie verschloss und in die Schublade legte. Die drückte sie genau so weit zu, wie sie es in Erinnerung hatte.
Danach erhob sie sich langsam und durchquerte den Raum. Was würde sie sagen, wenn der Soldat jetzt vor der Tür stand und sie schon erwartete?
Sie schob den Gedanken beiseite und öffnete die Tür ein kleines Stück. Nun konnte sie sein gleichmäßiges Atmen hören. Das gab ihr Mut und sie schlüpfte eilig heraus und zog die Tür hinter sich leise ins Schloss. Sie wollte schon zurück in die Küche eilen, da fiel ihr ein, dass sie auch den Schlüssel zurück in die Kommode legen musste. Sie schlich zurück, drehte den Schlüssel zweimal um und zog ihn heraus. Dabei war sie so aufgeregt, dass ihr der Schlüssel aus der Hand glitt. Zum Glück schluckte der dicke Teppich jedes Geräusch. Dennoch warf Dorle einen angstvollen Blick zu Jean-Luc, der noch immer ruhig weiterschlief. Sie hob den Schlüssel auf und legte ihn zurück in die Schublade. Nach einem letzten Blick auf den Soldaten, der seinen linken Arm im Schlaf bewegte, eilte sie zurück in die Küche, wo sie die Tür hinter sich schloss und sich auf einen Stuhl setzte.
Jetzt spürte sie die Anspannung und die Kraft, die diese Aktion sie gekostet hatte. Sie bedeckte ihr Gesicht mit ihren Handflächen. Warum hatte sie das gemacht? Brunner würde diesen Transport überfallen. Würden Menschen dabei zu Schaden, vielleicht sogar zu Tode, kommen? So viel Geld. Das konnte doch gar nicht ohne Gewalt geschehen.
Zuerst spürte sie die Feuchtigkeit an ihren Händen und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie weinte. Leise, und ohne zu schluchzen.
„Madame?“, hörte sie plötzlich hinter sich. Besorgnis klang in der Stimme durch.
Sie drehte sich um und sah in Jean-Lucs Gesicht.
„Kann ich …elfen?“, fragte er.
Dorle winkte ab. „L’oignon“, sagte sie geistesgegenwärtig und zeigte auf eine Zwiebel, die am Rande des Tisches lag.
Jean-Luc schien sich nicht zu wundern, dass die Frau das französische Wort sofort parat hatte. Stattdessen wich die Besorgnis aus seinem Gesicht und er nahm ein Taschentuch aus seiner Uniformhose, das er Dorle reichte.
Sie dankte mit einem Nicken, wischte sich die Augen ab und gab das Taschentuch zurück.
„Thé … gut“, sagte er, während er das Taschentuch zusammenfaltete und zurück in seine Tasche steckte.
„Wollen Sie noch einen?“, fragte Dorle. Sie sprach langsam und zeigte auf den kleinen Topf.
Jean-Luc nickte eifrig. Sie schob den Topf wieder auf den Herd, während der Soldat nach draußen eilte, um seine Tasse zu holen. Während sie darauf warteten, dass das Wasser kochte, warf Dorle dem Mann immer wieder verstohlen Blicke zu und versuchte herauszufinden, ob er bemerkt hatte, dass sie im Arbeitszimmer gewesen war. Aber sie konnte nicht die geringste Spur des Misstrauens bei dem Mann entdecken, der, als sie ihm die gefüllte Tasse gereicht hatte, mit einem „Merci beaucoup“ und einem breiten Lächeln die Küche verließ.
Dorle spürte, dass sie gehen musste. Deshalb beeilte sie sich mit der Zubereitung des Fleischteigs und dem Rollen der Knepp, die sie in eine mit Mehl ausgestreute Schale legte und in den Eisschrank stellte. Anschließend schmeckte sie die Brühe ab, salzte und pfefferte sie und stellte den Herd aus. Mit der Restwärme würde die Brühe bis in den Abend noch vor sich hinköcheln und würde morgen genau den richtigen Geschmack und die richtige Konsistenz haben.
Nachdem sie die von ihr benutzten Arbeitsflächen gereinigt hatte, war sie einen kurzen Moment verführt, die Aufzeichnungen, die sie in ihrer Rocktasche trug, wegzuwerfen. Aber sie fürchtete sich vor Brunners Zorn und dass er sie der Polizei ausliefern würde.
Ein letztes Mal sah sie sich um, verließ die Küche, verabschiedete sich von Jean-Luc, der traurig schien, wieder allein zu sein und ging schnell nach draußen.
Sie wollte
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