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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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dem kriegen wir jetzt nichts raus. Das holen wir später nach.“
    Inzwischen waren zwei Männer der Spurensicherung und der Arzt gekommen. Koch wies sie ein und fragte den Doktor, ob noch eine Möglichkeit bestand, die Blutgruppe festzustellen. Der machte eine unbestimmte Geste. „Abwarten! Vielleicht hat die Kälte uns ja in die Hände gespielt.“
    Koch inspizierte noch einmal alle Räume. Aber außer einigen Vorräten, darunter noch drei fast volle Kisten mit Tresterflaschen, alle markiert wie die, aus der der alte Gerber in der Küche getrunken hatte, das Fleisch in dem Keller und einigen Teppichen und andere mehr oder weniger wertvollen Gegenstände, die Leute in dieser Zeit gegen Lebensmittel und Zigaretten eintauschten, war nichts gefunden worden. Aber die Blutlache und die Autoteile, das war mehr als genug, und die Blutspur würde auch als Begründung vor Arnheim ausreichen.
    Auf dem Rückweg fuhr Siggi so schnell, euphorisiert davon, dass er die Teile gefunden hatte, dass sie von einer französischen Militärkontrolle angehalten wurden. Trotz ihrer Dienstausweise waren die beiden Besatzungssoldaten nicht bereit, sie weiterfahren zu lassen. Erst als Koch begann sich mit ihnen in fast akzentfreiem Französisch zu unterhalten und sich auch noch herausstellte, dass einer der beiden aus Südfrankreich kam, wurden sie nicht nur durchgewunken, sondern erhielten jeder eine Packung französische Zigaretten und ein Stück Wurst.
    Koch stieg im Hof aus dem Auto und bat Siggi an diesem Abend bei ihm vorbeizukommen und vorher dafür zu sorgen, dass die Autoteile sicher verwahrt wurden. Noch stolzer, als er ohnehin schon war, steuerte der den Adler in die Autohalle, während Koch zu Reuber ging, um ihn ebenfalls für diesen Abend zu sich einzuladen.
    Im Büro machte er sich einige Notizen, die er für den Bericht über die Durchsuchung des Gerberschen Hofes brauchte. Er verließ die Direktion, um noch ein paar Besorgungen für seine Gäste zu machen.

X
    Am Montagmorgen machte sich Dorle auf den Weg zum Gonsenheimer Rathaus. Franzi begleitete sie bis zum Eingang.
    „Ich gehe zum Pfarrer“, sagte sie bei der Verabschiedung, „und kümmere mich um die Beerdigung.“
    Dorle nickte. Was würde sie nur ohne ihre Freundin machen? Würde sie ihr je etwas von dem zurückgeben können, was Franzi für sie getan hatte?
    „Jetzt geh rein!“, forderte die. „Oder soll ich mit?“
    Dorle lehnte ab und ging schnell ins Rathaus hinein.
    In dem kleinen Büro saß Franz Reuter hinter seinem Schreibtisch. Über ihm an der Wand hing ein Porträt von Franz Ludwig Alexander, dem Gonsenheimer Bürgermeister, oder vielmehr Ortsvorsteher, wie es hieß, seit der Ort 1938 eingemeindet worden war. Aber die meisten Gonsenheimer sagten weiterhin Bürgermeister zu dem Mann, der schon zum dritten Mal an der Spitze der Gemeinde stand. 1913 war er zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister von Gonsenheim gewählt worden, musste 1914 ins Feld, um ab Sommer 1918 wieder die Amtsgeschäfte zu übernehmen, bis ihn die Nazis 1933 zum Rücktritt zwangen. Im März 1945 wurde Alexander von der Militärregierung wieder an die Spitze des Vorortes berufen.
    Dorle kannte Reuter, weil er eine Zeit lang mit Hans-Joachim Skat gespielt hatte, bis er kurz vor dem Krieg mit seiner Familie in die Stadt gezogen war.
    „Seit wann bist du wieder in Gonsenheim?“, fragte Dorle ihn nach der Begrüßung.
    „Meine Frau ist bei einem Bombenangriff umgekommen und einer meiner beiden Jungs ist gefallen. Ich bin jetzt in unserem alten Haus einquartiert“, erzählte Reuter „In der Engelstraße?“, fragte Dorle, obwohl sie es wusste. Reuter nickte.
    „Und du lebst alleine?“, fragte Dorle weiter.
    Wieder nickte er zur Antwort. Sie spürte, dass er nicht sprechen wollte.
    „Mein Sohn Rolf ist tot“, sagte sie, um es schnell hinter sich zu bringen.
    Reuter kommentierte das nicht, zeigte auch keine Spur von Mitleid. Dorle schien, dass der Mann mit dem Leben abgeschlossen hatte. Er musste, schätzte sie, so alt wie Hans-Joachim sein, also Mitte vierzig, aber er sah aus wie ein Mann, der die Sechzig schon überschritten hatte. Als er sich aus einem niedrigen Schrank eine Akte nehmen und dafür aufstehen musste, wusste sie auch warum. Reuter griff neben sich und hob eine Krücke auf. Er hatte ein Bein verloren, wie Rolf.
    „Wie ist er gestorben?“, fragte Reuter.
    „Er hat …“ Dorle fiel es schwer, den Satz zu vollenden.
    „Sich umgebracht“, vollendete der Mann, der

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