Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)

und zielte damit in den Kastenwagen.
    »Hey, Mann, erschieß sie bloß nicht in dem Wagen«, warnte Clarence. »Er ist gemietet.«
    »Okay.«
    Pablo wirbelte herum und feuerte die Glock mitten in Clarence’ Gesicht ab. Während dieser tot nach hinten kippte, stürzte sich sein Partner auf Pablo. Aber der Kolumbianer war schneller. Er drehte sich um und jagte drei Kugeln in die Brust des Mannes. Der sterbende Helfer konnte gerade noch nach Pablos Jacke greifen und ihn auf die Knie hinunterziehen, ehe er zusammenbrach.
    Ann schrie auf, aber ihr Schrei wurde durch das Klebeband gedämpft. Pablo musterte sie einen Moment lang. Dann steckte er die Glock lässig ins Holster zurück. Er griff in den Kastenwagen, zog Ann heraus und stieß sie auf einen überzähligen Heuballen. »Ich fürchte, es hat keinen Sinn, Sie hier zu töten.«
    Während sie ihm voller Entsetzen zusah, wuchtete er die beiden Leichen in den Kastenwagen und schloss die Hecktüren. Nachdem er den nunmehr blutbesudelten Geldumschlag Ann zugeworfen hatte, sah er sie an und riet ihr: »Nicht bewegen.«
    Sekunden später lenkte Pablo den Kastenwagen aus der Scheune und hinterließ eine Wolke aus Staub und Heu. Er fuhr nur ein kurzes Stück, dann hielt er wieder an und brachte den Van sorgfältig in Position. Er drehte die Fenster nach unten, nahm sämtliche Schlüssel bis auf den Zündschlüssel, ging dann gebückt herum und suchte einen großen flachen Stein. Er wurde fündig, legte den Stein aufs Gaspedal und drückte es nach unten. Nun stieg er aus dem Van, griff durch das offene Seitenfenster und startete den Motor. Ehe die Drehzahl in die Höhe schnellte, schob er den Schalthebel auf Fahrtposition und brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit.
    Die Hinterräder schleuderten loses Geröll hoch, und der Kastenwagen schoss den Fahrweg hinunter. Er rollte weniger als zehn Meter weit, ehe er von dem Weg abkam und durch einen schmalen Graben pflügte. Sein Schwung trug ihn über den gegenüberliegenden Grabenrand und eine niedrige Böschung, hinter der er in den Teich eintauchte.
    Eine einsame Gans gackerte protestierend, als der Van eine grün schimmernde Wasserwand hochwallen ließ. Nach ein paar Sekunden füllte sich der Kastenwagen mit Wasser und verschwand in dem tiefen Teich. Zurück blieben lediglich ein paar kleine Luftbläschen, die an der Wasseroberfläche zerplatzten.
    Pablo wartete nicht, bis der Wagen vollends gesunken war, sondern rannte zur Scheune zurück. Er hob den Geldumschlag auf und schleuderte ihn ins Führerhaus des Sattelschleppers, ehe er zu Ann zurückkehrte. Wortlos schleppte er sie zum Führerhaus und deponierte sie in einem niedrigen Abteil hinter den beiden Vordersitzen.
    »Sie können es sich ruhig gemütlich machen«, sagte er, startete den Motor und schaltete in den ersten Gang. »Wir haben eine ziemlich lange Reise vor uns.«

36
    Der Helikopter näherte sich mit hohem Tempo in Baumwipfelhöhe, schwebte dicht über den Hangars ein und überraschte die Würdenträger, die auf einer Tribüne am Rand der Rollbahn saßen. Es war ein Militärhubschrauber, dessen Rumpfprofil auffällige scharfe Kanten aufwies und mit einem Material beschichtet war, das Radarstrahlen absorbierte und ihn nahezu unsichtbar machte. Ein fünfflügeliger Hauptrotor, der aus einem speziellen Komposit gefertigt war, sowie ein entsprechender Heckrotor vervollständigten seine Tarn kappenfähigkeiten, indem sie die Geräuschsignatur erheblich re duzierten. Ein Luftfahrtexperte von Jane’s Defence Weekly hätte ihn wahrscheinlich nur einmal zu Gesicht bekommen müssen, um ihn als Stealth Hawk zu identifizieren, einen der aufwendig modifizierten UH-80 Black Hawks der U. S. Army, wie sie bei dem Angriff auf Osama bin Laden zum Einsatz kamen. Doch dieser Helikopter war vollständig in China gebaut worden.
    Die Maschine schoss über die Yangcun Air Base südlich von Peking hinweg und schwirrte mehrmals über das Flugfeld, ehe sie landete. Das Publikum, das aus Generälen und hochrangigen Angehörigen des Verteidigungsministeriums bestand, erhob sich von seinen Plätzen und belohnte diese Demonstration des neuesten technischen Triumphs mit frenetischem Applaus. Die Jubelrufe ließen deutlich nach, als ein Parteifunktionär das erhöhte Podium betrat und eine ermüdende Hetzrede anstimmte, um Chinas Größe und Erhabenheit hervorzuheben.
    Edward Bolcke lehnte sich zu einem Mann hinüber, der einen auffallend stechenden Blick hatte und eine mit Orden übersäte