Unterm Messer
gern möchte ich vom alten Mann noch einmal zum Jüngling werden.“
„Alter Mann ... so ein Quatsch. Du bist gerade fünfundsechzig geworden“, lache ich.
„Na gut, widersprechen musst du immer und überall. Wirst schon sehen, wie sich das anfühlt ...“
Oskar schenkt uns ein. Cabernet Sauvignon, traditionell ausgebaut, duftig und voll und mit einem wunderschönen Vanilleton. „Auf unsere Gesundheit!“, sage ich.
Wir stoßen an. Droch runzelt ein wenig die Stirn. „Apropos Gesundheit: Wäre besser, du hältst dich in der nächsten Zeit vom Vulkanland fern. Und rätst deiner Freundin Vesna, sich wieder um die Beseitigung von Schmutz im engeren Sinn zu kümmern. Ich hab da ein paar Dinge herausgefunden, die nicht gerade freundlich anmuten.“
Er soll sein Geschenk für nach dem Hauptgang aufheben. Ich eile zur Küchenzeile, nehme die heißen Teller aus dem Rohr, lege auf jeden eine große knusprig gebratene Brotscheibe, setze je zwei gefüllte Paradeiser darauf. Ein Zweig frisches Basilikum aus dem Dachgarten, fertig ist das schnelle Sommergericht.
Als ich mit den ersten zwei Tellern zum Tisch gehe, merke ich, dass die beiden miteinander getuschelt haben. Sie verstummen, geben sich harmlos. Oskar schenkt mir nach, obwohl das Glas eigentlich noch gut gefüllt ist.
„Mahlzeit“, sage ich.
„Bumm, ist das scharf“, sagt Droch einen Bissen später. „Typisch.“
„Zu scharf?“, säusle ich.
„Mir nicht“, erwidert Oskar. Manchmal ist er ein wenig ein Streber. Nein, das ist ungerecht. Er mag es eben schärfer als mein Freund Droch.
„Mir auch nicht“, murmelt Droch. „Ich liebe Schweißausbrüche, vor allem wenn die vorausgehende körperlicher Betätigung nur in Kauen bestand.“
Als ich einen Teller mit neunzigprozentiger Schokolade aus Peru, mit Schoko-Ingwerbällchen und Schoko-Chilikonfekt herrichte, steht Oskar auf, holt etwas aus seiner Tasche und legt es vor sich auf den Tisch.
„Sozusagen hausgemacht, wenn auch nicht von mir“, sage ich. Die beiden wissen, dass ich im Zubereiten von Desserts nicht eben Weltmeisterin bin.
Oskar deutet auf die Blätter vor sich. „Ich habe mir Grünwalds geschäftliche Verflechtungen angesehen. Er hat ein einigermaßen verwirrendes Firmenkonstrukt aufgebaut, ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich auf die Schnelle alles sammeln konnte.“
Ich spähe auf den Computerausdruck. Eine Tabelle.
„Also“, fährt Oskar fort: „Da gibt es einmal die ,Beauty-Oasis-Gesellschaft'. Dann gibt es die Firma ,Beauty&Young', sie stellt Cremes und Vitaminpräparate und Derartiges her. Auch dieses Resveratrol in Kapseln. Beide Firmen gehören Christoph Grünwald zu achtzig Prozent, mit zwanzig Prozent ist seine geschiedene Frau Gitte beteiligt. Dann gibt es die Firma ,Oasis International', die offenbar weltweit Know-how in Sachen Schönheitsoperationen vertreibt und die Grünwald allein zu gehören scheint. Sie ist ihrerseits an mindestens acht Schönheitskliniken beteiligt. Unter anderem an einer in Shanghai, einer in Taiwan, zweien in Tschechien. Die Anteile der ,Oasis International' liegen zwischen zehn und dreißig Prozent. Auf diese Firma sind auch einige Patente für künstliche Nasen- und Wangenknorpel und Ähnliches eingetragen. Und dann gibt es noch ein Unternehmen, bei dem er aufscheint: .Research on Life Limited', kurz ,Roll', mit Firmensitz auf Jersey, nach wie vor sehr steuerschonend. Da ist die Struktur äußerst undurchsichtig. Mehrere stille Teilhaber, er ist nicht nur als Person, sondern auch durch ,Oasis International' beteiligt.“
Ich sehe Oskar bewundernd an. „Wie hast du das alles herausgefunden?“
„Ich bin Wirtschaftsanwalt, Miramaus“, säuselt er.
„Miramaus“, das hasse ich, das weiß er. Und ich hasse es besonders, wenn er es vor anderen sagt. Droch hat natürlich ein entsprechendes Grinsen aufgezogen. Irgendwie scheinen die beiden heute auf Konkurrenten zu machen. Erfreulicherweise wandelt sich Drochs Gesichtsausdruck relativ schnell wieder und wird konzentriert. „Du weißt, woher die stillen Teilhaber stammen?“, fragt Droch meinen Oskar.
„Teilweise“, antwortet der.
„Könnte einer aus El Salvador dabei sein?“
Ich starre Droch an. Ich habe ihm von den beiden Lateinamerikanern erzählt. Offenbar ist er gerade dabei, sein Geschenk für mich zu öffnen.
„Auszuschließen ist es nicht“, erwidert Oskar. „Einer scheint aus Kolumbien zu sein. Die anderen Teilhaber könnten auch in Grünwalds eigenen Firmen zu
Weitere Kostenlose Bücher