Unterm Messer
grünen Daumen nennt. Okay, nobody is perfect. Ohnehin ganz beruhigend bei seinen vielen Talenten. Die Gießkanne ist voll, ich rette meine Kräuter und zupfe dafür Spitzen von Rosmarin, Thymian, Oregano ab.
Die Paradeiser habe ich ausgehöhlt, das Innere etwas zerkleinert und in eine Schüssel gegeben. Jetzt die grob geschnittenen Kräuter und vier zerdrückte Knoblauchzehen dazu, reichlich Pfeffer aus der Mühle, das Faschierte, Salz. Was, wenn Vesna und ich uns tatsächlich in etwas verrannt haben? Mein nächtlicher Gast war die eigene Jacke und ein geschlossener Sonnenschirm. Das Labor samt Mäusen ist nur geheim, weil das Lebensgefühl der Schönheit Heischenden nicht gestört werden soll. Die Nonne wollte mit ihrem Liebhaber einen selbst hergestellten Lavendelaufguss genießen, nur er wollte das offenbar nicht. Unsere nächtlichen Angreifer aus den Büschen waren vier Rehe. Die Genetikerin ist in erster Linie auf sich selbst sauer, weil sie bei Grünwald, wahrscheinlich für viel Geld, gearbeitet und damit ihrer beeindruckenden Biografie geschadet hat.
Gismo steht mit hoch aufgerichtetem Schwanz neben mir. Ich knete das Faschierte durch. Zwei Eier dazu. Kein Brot, keine Brösel, pur. Das ist der Vorteil, wenn man eine Masse in Paradeiser füllt: Sie muss nicht von sich aus halten. Gismo drischt mir ihren runden Kopf gegen die Wade. Wie kann ich es auch wagen, sie nicht zu beachten! Nur weil sie heute schon zweimal gefressen hat! Ich gehe zum Kühlschrank und hole das Glas mit den Oliven heraus. Gismo gibt einen markerschütternden Kampfschrei von sich und wieder einmal frage ich mich, woher sie weiß, dass Oliven, ihre absolute Lieblingsspeise, in diesem verschlossenen Glas sind. Ich öffne es, Gismo tanzt herum. Ich nehme drei Oliven, lege sie vorsichtig auf den Boden und ziehe meine Hand rasch weg. Ist schon vorgekommen, dass meine Katze in der Aufregung einen Finger gleich mitessen wollte.
Jetzt ist sie wenigstens von den Garnelen abgelenkt. Auf dem Herd steht ein Topf mit wenig kochendem Wasser, ich habe nur etwas biologische vegetarische Suppenwürze und Salz dazugegeben. Die nicht so schönen Garnelen hacke ich, zusammen mit zwei Knoblauchzehen, ganz fein, gebe sie in das Kochwasser und drehe auf kleine Flamme zurück.
Ich schneide drei dicke Scheiben vom großen Laib Vorschussbrot. Die lege ich auf ein Backblech, beträufle sie mit etwas Olivenöl, streue grobes Salz darüber. Etwas Chili kann auch nie schaden. Zum Glück gibt es jetzt endlich eine Mühle, die getrocknete Chilischoten mahlen kann.
Es läutet und ich weiß, das kann nur Oskar, der Rücksichtsvolle, sein. Er kündigt sich an, bevor er den Schlüssel im Schloss dreht. Ich mache es auch so. Gemeinsam gut leben bedeutet auch, den anderen nicht zu überfallen. Ich fülle die Paradeiser mit dem Faschierten, das Backrohr ist bereits auf zweihundert Grad vorgeheizt. Ich höre, wie Oskar seine Tasche beim Schreibtisch abstellt. Er kommt durch den großen Raum in die Nische, in der die Küchenzeile ist, und küsst mich von hinten aufs Ohr. Das sind die Momente, wo mir niemand etwas von den Vorzügen eines Lebens ohne Männer, ohne andere Menschen erzählen kann. Ich drehe mich um und küsse ihn auf den Mund.
„Droch ist noch nicht da?“, fragt er und schaut gleichzeitig neugierig, was ich vorbereite.
Ich schüttle den Kopf. „Warum hast du Faschiertes gekauft?“
„Ich habe ja nicht gewusst, wann du wiederkommst. Ich dachte, ich mache Fleischlaibchen, die kann ich die nächsten Tage über dann auch kalt essen. Und hätte ich doch auswärts gegessen, dann hätte ich das Faschierte an Gismo verfüttert.“
Die steht zwischen uns und sieht mich an, als hätte ich ihr die Abendmahlzeit geklaut. Mit ein paar weiteren Oliven kann ich sie besänftigen.
Ich schiebe die großen Brotscheiben ganz unten ein, die gefüllten Paradeiser setze ich in eine Glaspfanne, beträufle sie mit Olivenöl und gebe sie dann ebenfalls ins Rohr. Ich stelle die Zeitschaltuhr. In zehn Minuten werde ich auf 140 Grad zurückdrehen.
„Ich hoffe, du hast nichts gegen einen Weinviertel DAC“, sagt Oskar und hält mir ein Glas hin. Ich schüttle lächelnd den Kopf.
Weinviertel ... das ist meine Weinheimat, die Gegend, in der ich viel über Wein und Winzerleben gelernt habe. Ich nehme einen Schluck. Würzig, pfeffrig, feine Säure. Eigentlich habe ich gar keine Lust, mich heute Abend mit dem explosiven Gemisch aus Schönheitsindustrie, Eitelkeiten, Genforschung und
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