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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Nonne schüttelt den Kopf. „Die Polizei, das werden Sie schon hie und da bemerkt haben, ist Teil des politischen Systems. Sie nimmt Rücksicht auf die Mächtigen. Ich sage nicht, dass nicht immer wieder ehrlich ermittelt wird, aber manches, was zu viele Schwierigkeiten bereiten könnte, wird ganz gern ausgeblendet. Vielleicht habe ich es aber auch einfach nicht so mit der irdischen Gerechtigkeit. Wir beide sind einander zufällig vor der Sauna begegnet Ihnen traue ich mehr zu.“
    ,,Zulällig?“, frage ich.
    „Sie meinen, ich müsste das als ,schicksalhaft' bezeichnen? Tue ich aber nicht. Einstein hat einmal gesagt: ,Gott würfelt nicht.' Im Gegensatz zu ihm kann ich mir das aber ganz gut vorstellen.“
    „Es gibt einen Popsong aus dem vergangenen Jahr, da heißt es: ,Gott hat einen harten linken Haken'“, erwidere ich. Vielleicht nicht gerade eine ebenbürtige philosophische Antwort, aber ...
    Die Nonne kichert. Sie kichert tatsächlich. „Das gefällt mir. Das Lied muss ich mir besorgen. Der harte linke Haken hat mich beinahe getroffen.“
    „Nur beinahe?“
    „Ich habe gebetet und bin in mich gegangen und zu dem Schluss gekommen, dass ich mich wehren darf.“
    „Das hat Ihnen ... Gott gesagt?“
    „Das habe ich mir gesagt. Ein Gebet kann vieles sein, auch ein Gespräch mit dem innersten Selbst. Und je mehr ich in mein Innerstes komme, desto weniger unterscheidet sich das womöglich von dem, was wir Gott nennen. — Vielleicht sind solche Gedanken aber auch hoffärtig.“
    Hoffärtig. Ein Wort, das ich schon lange nicht mehr gehört habe. „Sam Miller, der Energetiktrainer, hat mir erzählt, dass Sie den Vertrag des Klosters mit Grünwald kündigen wollten. Stimmt das?“
    Sie sieht mich überrascht an. „Nein, das stimmt nicht. Auch wenn ich mit einigem nicht einverstanden bin und immer wieder überlege, wie viele Kompromisse wir, ohne Schaden zu nehmen, eingehen können: Ich will, dass unsere Gemeinschaft bestehen bleibt. Wir pflegen Menschen, die Hilfe brauchen. So wichtig ist es schließlich nicht, ob sie sich selbst in diesen Zustand gebracht haben. Und ich sage Ihnen: Die meisten der Menschen, die in der Schönheitsklinik einem glücklicheren Leben hinterherrennen, brauchen unsere Zuwendung.“
    „Er hat so etwas gesagt wie, dass das, was in der ,Oasis' vor sich geht, mit den Regeln Ihres Ordens nicht mehr vereinbar sei“, fahre ich fort. Hätte ich mir bloß genauer gemerkt, was Sam erzählt hat.
    „Seltsam, dass dieser Sam das sagt. Ich habe mit ihm kaum zu tun. Aber Schwester Cordula hat ihn sehr gemocht. Sie war es, die immer mehr gegen die Schönheitsoperationen rebelliert hat. In ihm hat sie gemeint einen Verbündeten zu haben. Sie hat mir erzählt, dass er sie auch beim Verkauf unserer Hildegard-Produkte unterstützen wolle.“
    „Wie hätte er das tun sollen?“
    „Er hat bei den Gästen im Wellnessbereich für unsere Produkte geworben. Es gibt sie ja im Foyer der ,Oasis' zu kaufen. Und er wollte ein eigenes Energetikinstitut aufmachen, da sollte es keine Chemie geben, nur unsere sanften Energiespender.“
    Ich nicke. Stimmt, von seinem Plan, sich selbstständig zu machen, hat er mir erzählt. „Haben Sie eine Ahnung, warum er versucht hat Sie als Gegnerin der Grünwald-Geschäfte hinzustellen?“ Schwester Gabriela schüttelt den Kopf. „Ich kann mir nur vorstellen, dass er Cordulas Gedankengänge mit meinen verwechselt hat. Vielleicht hat er gedacht, in einem Kloster ticken alle gleich.“
    „Und? Ist das nicht so?“
    „Wieso sollte das so sein?“
    „Zumindest sind Sie alle Richtung Jenseits orientiert.“
    Die Nonne schüttelt den Kopf. „Das hört sich beinahe so an wie das, was sich dieser Inspektor zusammengereimt hat. Als ob ich aus Zorn darüber, dass eine Klosterregel missachtet wurde, zwei Menschen umbringen könnte.“
    „Sind Regeln nicht sehr wichtig?“
    „Sie können Halt geben. Sie können aber auch sehr viel Kraft rauben.“
    Ich muss achtgeben, dass unser Gespräch nicht ins Philosophische abgleitet. Da ist mir Schwester Gabriela eindeutig überlegen. „In der ,Oasis' sind zwei Lateinamerikaner unterwegs. Kennen Sie die beiden? Kann es sein, dass sie mit Grünwald Geschäfte machen?“
    „Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen. Ich habe sie einige Male gesehen. Ich habe es lustig gefunden, dass sie fast immer im Doppelpack auftreten. Üblicherweise sind Frauen lieber zu zweit unterwegs und Männer gerne für sich. Vor allem in so einer Klinik.“

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