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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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öffnete den Kleiderschrank und holte seine Uniform heraus.
    Zehn Minuten später saß er mit Beata in einem Dienstwagen des OP 5 und fuhr zu Frau Elizabeth Lundwalls Wohnung auf Kungsholmen. Auf Vorschlag Carls fuhr Beata, da er sich als Fahrer im Moment nicht sehr geeignet fühlte. Sie bewahrte dadurch die Fassung, daß sie methodisch das Protokoll der Streitkräfte durchging, das für solche Fälle genaue Anweisungen enthielt. Was die Beerdigung betraf, konnten die Angehörigen wählen, ob sie eine private Trauerfeier wollten oder eine offizielle Feier der Streitkräfte. Für die letztere gab es eine Reihe von Vorschriften. Der Sarg sollte von Offizieren des gleichen Regiments oder der gleichen Waffengattung getragen werden. In diesem Fall waren es Küstenjäger des KA 1. Bei der Beisetzung sollten die nächsthöheren Vorgesetzten ebenfalls anwesend sein. Unter Umständen kam sogar der Marinechef persönlich in Frage, doch das hing vermutlich davon ab, inwieweit man nach außen erkennen lassen wollte, welchen Auftrag und welche Funktion Joar bei den Streitkräften gehabt hatte.
    Carl machte einen zerstreuten Eindruck, als hörte er nicht einmal zu. Beata redete ein wenig nervös drauflos, als hätte sie Angst vor der Stille, die sonst unweigerlich entstehen würde.
    Der Alte und Samuel Ulfsson waren mit ihren Instruktionen für Åke Stålhandske gerade zu Ende gekommen und hatten ihm eine Reihe von Formularen zur Unterschrift vorgelegt. Als sie jetzt allein im Raum zurückblieben, saßen sie stumm und wie gelähmt da, unfähig, etwas zu tun.
    »Wir haben schon früher Leute verloren. Es ist doch ein Teil unserer Tätigkeit«, sagte der Alte schließlich.
    »Das war in der Zeit, als du und deine wahnsinnigen Vorgänger im Baltikum gehaust haben. Das war in den fünfziger und sechziger Jahren, verdammt noch mal«, fauchte Samuel Ulfsson unerwartet aggressiv.
    »Gewiß, gewiß«, seufzte der Alte. »Wir hatten unter unseren Operateuren damals nämlich Verluste von hundert Prozent. Die Russen haben sie geschnappt, einen nach dem anderen. Vermutlich waren wir unterwandert, da kein einziger entkam. Die Russen schienen alles zu wissen.«
    »Wie wird diese Geschichte unsere Arbeit beeinflussen? Was meinst du?« fragte Samuel Ulfsson mit fast demonstrativ verändertem Ton. Diese alten Geschichten waren für die politische Wirklichkeit von heute ohnehin irrelevant.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte der Alte und dachte kurz nach.
    »Wir haben getan, was uns möglich war. Wir sind Risiken eingegangen, um Mitbürger zu retten, und haben dieses Mal verloren. Nein, die Öffentlichkeit wird uns nicht verurteilen.«
    »Und die Politiker?«
    »Die werden sich darin überbieten, uns ihre Hochachtung zu bezeugen. Wir haben immerhin ein Wahljahr, und ich möchte den Politiker sehen, der Joar Lundwall, das heißt uns, mit Schmutz bewirft. Nein, wir werden mit heiler Haut davonkommen.«
    »Und Carl? Wie wird es ihm ergehen?«
    »Das macht mir schon eher Kummer. Er befindet sich noch immer in einem Schockzustand. Immerhin kann jeder sehen, daß er einen Berg von Schuldgefühlen mit sich herumschleppt. Das hast ja sogar du gesehen.«
    »Was meinst du damit, sogar ich?«
    »Vergiß es. Ich mache mir Sorgen wegen Carl, sogar ganz erhebliche. Er hat ja schon früher Tendenzen zu Schuldgefühlen und Grübeleien gezeigt, und jetzt kriegt dieser Affe noch mehr Zucker. Dann sind da noch seine Familienschwierigkeiten, was die Lage auch nicht gerade verbessert.«
    »Du meinst diese Geschichte mit der Amerikanerin? Vielleicht tut es ihm aber gut, wenn er sich eine Zeitlang auf private Probleme konzentrieren kann. Was meinst du?«
    »Private Probleme? Da kennst du Carl aber schlecht. Sein einziges privates Problem oder sein einziges Problem überhaupt heißt im Augenblick Joar Lundwall.«
    Schweigen erfüllte erneut den Raum. Dann rief die Redaktion von Aktuellt an. Man wolle ein Team schicken, um das Interview über den ermordeten schwedischen Spion zu machen, natürlich mit einer Sperrfrist, bis die Familie benachrichtigt sei.
    Carl und Beata standen zögernd vor einer Gegensprechanlage in der Pilgatan gegenüber dem alten Garnisonskrankenhaus, das inzwischen in eine Art Bürokratenburg verwandelt worden war. Es war keine angenehme Vorstellung, sich um halb zehn Uhr abends über eine Gegensprechanlage erklären zu müssen.
    Carl zögerte ein paar Augenblicke, als er den Zeigefinger auf den Knopf neben dem Namen Lundwall legte, bis er Beata einen

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