Untitled
eine furchtbare Sache», sagte er, «aber noch furchtbarer ist Ungerechtigkeit.»
Plötzlich kam er zu ihr herüber, kniete sich vor ihren Stuhl, schlang seine Arme um ihre Knie und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Als er nun sprach, wurde seine Stimme halb von den Falten ihres Kleides verschluckt.
«Liebste, willst du über diesen Fall mit mir sprechen? Oder würdest du das lieber nicht tun?»
«Mir wäre lieber, du würdest darüber sprechen, wenn es für dich nicht zu schlimm ist.»
«Ich habe nur gefragt, weil ich dachte, es könnte für dich unerträglich sein. Dinge, die dich aufregen, würde ich dir so gerne ersparen, soweit es möglich ist.»
«Nichts, was du mir erzählst, kann so schlimm sein wie der Gedanke, es gäbe etwas, das wir nicht besprechen könnten. Das wäre das entsetzlichste.»
«Dann ist es also die Vermählung getreuer Seelen, die wir anstreben?» fragte er und sah ihr in die Augen.
«Davon bin ich ausgegangen, ja.»
«Dann soll es auch so sein. Am Jüngsten Tag ist noch die Liebe jung – Ja, Meredith, was gibt es?»
«Es ist angerichtet, Mylord.»
«Also dann, später», sprach Peter, indem er aufstand und ihr die Hand reichte. «Ich werde dir alles später erzählen.»
«Sie haben geläutet, Mylord?» Bunter kam in den Salon, wo sich sein Herr einem Schlummertrunk widmete. Harriet, die beim Abendessen beruhigenderweise kräftig zugelangt hatte, hatte sich auf Müdigkeit berufen und war sofort nach dem Essen zu Bett gegangen.
«Nehmen Sie sich auch einen Brandy, Bunter, und setzen Sie sich zu mir», sagte Wimsey. «Ich möchte alles über Mrs. Chanter und die Hamptoner Gesellschaft erfahren.»
«Sehr wohl, Mylord, sehr freundlich, Mylord», gehorchte Bunter. «Vieles ist zu meiner Kenntnis gebracht worden, das möglicherweise wenig zur Sache beiträgt, Mylord.»
«Spucken Sie erst einmal alles aus, Bunter, das werden wir dann entscheiden», meinte Wimsey.
«Nun, Sir, es sieht so aus, als ob die Harwells eine große Enttäuschung für ihre Nachbarschaft waren. Die Arbeitgeber von Mrs. Chanter, ein Mr. Sugden und seine Frau, waren hoch erfreut, als der Nachbarbungalow an die Harwells verkauft wurde, denn diese Leute sind die reinsten Theaternarren. Sie hatten erwartet, daß ein nicht versiegender Strom von berühmten Schauspielern an ihrer Haustür vorüberziehen würde, um im nachbarlichen Salon und Garten rauschende Feste zu begehen. In der Hoffnung auf zahlreiche Autogramme hatten sie sich sogar ein neues Kunstlederalbum zugelegt. Dann aber stellte sich heraus, daß die Harwells ein sehr zurückgezogenes Leben führten, wenn sie in Hampton waren, was im übrigen gar nicht oft vorkam. Tatsächlich hielten sie sich so gut wie nie dort auf. ‹Warum man so einen Haufen Geld zum Fenster rauswirft, alles für ein paar Wochenenden im Sommer, das werde ich nie begreifen!› so Mrs. Chanter. ‹Und von wegen berühmte Gäste! Keinen einzigen haben wir zu Gesicht bekommen, außer natürlich, daß Mrs. Harwell, die ärmste, eine ganz feine Lady war und so wunderschön wie Dorothy Lamour.› Ich bemühe mich, Mylord, ihre Äußerungen im Wortlaut wiederzugeben.»
«Sehr überzeugend, Bunter.»
«Und in dieser Richtung gab es noch eine Menge mehr zu er
fahren, Mylord, da Mrs. Sugden eine Tochter in der Theaterwelt hat, eine Schauspielerin, die eine große Zukunft vor sich hat, wie man mir zu verstehen gab. Jedenfalls könnte Mrs. Chanters Tochter für uns interessant sein, da sie sich hin und wieder bei den Harwells als Dienstmädchen und Haushälterin verdingt hat, wenn sie jemanden brauchten. Die junge Frau heißt Rose, Mylord. Wie ich gehört habe, ist sie ein braves Mädchen, die mit auf ihren Vater aufpaßt, während Mrs. Chanter arbeiten muß, und außerdem noch jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um sich ein kleines Taschengeld zu verdienen. Es handelt sich um anständige Leute, hat Mrs. Chanter mir versichert, die aber etwas knapp bei Kasse sind, was dem Umstand geschuldet ist, daß Mr. Chanter von einer Leiter gefallen ist und nun schon seit einigen Jahren sein Handwerk nicht mehr ausüben kann.»
«Soso, mein guter Bunter, dank Ihnen wären wir endlich an etwas Hintergrundwissen gelangt. Sollte Rose denn dieses Mal zu Mrs. Harwell kommen?»
«Am Tag der Ankunft von Mrs. Harwell sollte sie durchlüf
ten und anheizen, dann aber verschwinden, wie ich verstanden habe. Am zweiten Tag war sie frühmorgens da, um das Bett zu machen und die Asche auszuleeren. Sie sollte
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