Untitled
Küche und blickte hinein. Niemand.
Ich öffnete hinten in der Küche eine Holztür. Ein Wandschrank. Der stechende Geruch von Gewürzen.
Ich öffnete eine zweite Tür. Eine Treppe in den ersten Stock.
Eine dritte Tür. Eine Treppe in den Keller.
Der Keller musste durchsucht werden. Ich drückte auf einen Lichtschalter. Kein Licht. Verdammt!
»Polizei!«, rief ich. Keine Antwort.
Ich holte tief Luft. Ich sah keine unmittelbare Gefahr für mich, fürchtete mich aber vor dem, was wir unten finden würden. Ich zögerte ein, zwei Sekunden, dann betrat ich die knarrende Holztreppe. Ich hasse Keller, habe sie immer schon gehasst.
»Polizei!«, rief ich noch einmal. Immer noch keine Antwort von unten. Dunkle Winkel eines Hauses zu durchsuchen macht keinen Spaß. Nicht mal, wenn man eine Waffe hat und ziemlich gut damit umgehen kann. Ich knipste meine Taschenlampe an. Okay, dann wollen wir mal.
Mein Herz schlug wie verrückt, als ich die Treppe hinunterstieg. Meine Glock war schussbereit. Ich senkte den Kopf, blickte mich um. Jesus!
Ich sah sie, kaum dass ich das Ende der Treppe erreicht hatte, und spürte den Adrenalinstoß.
»Ich bin Detective Cross. Ich bin von der Polizei.«
Die Frau und das Baby waren da. Man hatte die Mutter gefesselt und mit schwarzem Klebeband über bunten Stofffetzen geknebelt. Ihre Augen waren weit aufgerissen und so hell wie Suchscheinwerfer. Auch das Baby hatte schwarzes Klebeband über dem Mund. Seine Brust hob und senkte sich. Der Säugling schluchzte stumm.
Aber sie lebten! Weder in der Bank noch hier war jemand verletzt worden.
Warum?
Die Methode hatte sich geändert.
»Was ist los da unten? Alles in Ordnung, Alex?«, hörte ich Kyle Craig rufen. Ich richtete den Strahl der Taschenlampe nach oben und sah Kyle und Agentin Cavalierre oben an der Treppe stehen.
»Sie sind hier. Sie sind in Sicherheit. Alle leben.«
Was, zum Teufel, lief hier ab?
D as Superhirn – was für ein seltsamer, absurder Name. Beinahe pervers. Genau aus diesem Grund liebte er den Namen.
Er beobachtete die Szene im Haus des Bankdirektors und hatte dabei das Gefühl, außerhalb seines Körpers zu stehen und sich selbst zu beobachten. Er erinnerte sich an eine alte Fernsehserie aus seiner Jugend: Du bist dabei! Das war er in der
Tat.
Er fand es ausgesprochen prickelnd, zuzuschauen, wie die Techniker des FBI mit ihren schwarzen Zauberkästen das Haus betraten. Er wusste alles über das DGV, das Dezernat für Gewaltverbrechen.
Aufmerksam beobachtete er das Kommen und Gehen der Agenten mit ihren ernsten und düsteren Gesichtern.
Dann traf die Rosslyn-Polizei mit geballter Macht auf dem Schauplatz ein: ein halbes Dutzend Einsatzfahrzeuge mit flakkernden Lichtern auf den Dächern. Irgendwie hübsch anzuschauen.
Schließlich sah er Detective Alex Cross das Haus verlassen. Cross war hoch gewachsen und gut gebaut. Er war Anfang vierzig und ähnelte dem Boxer Muhammad Ali in dessen besten Jahren. Cross' Gesicht war lebhaft; seine braunen Augen funkelten. Nein, eigentlich war er attraktiver, als Ali je im Leben gewesen war.
Cross war einer seiner ärgsten Gegner. Und es ging um nichts weniger als einen Kampf auf Leben und Tod. Es war eine gnadenlose Schlacht des Verstandes, aber noch mehr eine Schlacht des Willens .
Das Superhirn war zuversichtlich, dass er Alex Cross besiegen würde. Ja, eigentlich war dieser Kampf sehr ungleich. Das Superhirn siegte immer, nicht wahr? Trotzdem fühlte er sich ein bisschen unsicher. Cross strahlte Selbstvertrauen aus, und das machte ihn wütend. Wie konnte der Mistkerl es wagen? Für wen hielt dieser hergelaufene Detective sich eigentlich?
Er beobachtete das Haus noch eine Zeit lang. Er wusste, dass er hier völlig sicher war. Ihm konnte nichts geschehen.
Er war völlig sicher.
Auf einer numerischen Skala lag er bei mindestens 9.9999 von 10.
Plötzlich kam ihm ein verrückter Gedanke. Er wusste, woher dieser Gedanke stammte. Als Junge hatte er Cowboy- und Indianer-Filme und Western-Fernsehserien geliebt. Immer hatte er den Indianern die Daumen gedrückt. Und ganz besonders liebte er einen außergewöhnlichen Trick der Rothäute: Sie schlichen sich ins Lager des Feindes und berührten ihn, während er schlief. Wenn er sich recht erinnerte, hatte man das einen coup genannt.
Das Superhirn wollte bei Alex Cross einen coup landen.
S obald wir wussten, dass alle im Haus in Sicherheit waren, rief ich im Krankenhaus an, um mich nach Jannies Befinden zu erkundigen.
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