Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)
noch einer, nicht bloß ich.«
Jakeed zog es vor, nichts zu entgegnen. Sie hatten inzwischen die ersten bescheidenen Häuser der Ansiedlung erreicht. Er sah sich verstohlen um. Keiner der Menschen, die draußen zu tun hatten, beachteten ihn. Niemand schien ihn zu erkennen. Warum sollte man sich auch das Gesicht eines Verurteilten auf dem Scheiterhaufen merken? Man würde ihm ja sowieso nie wieder begegnen.
Auch Wahrmut erkannte niemand. Kein Wunder, waren bildliche Darstellungen von ihm doch vielfältig wie ein Müllhaufen. Es gab Wahrmut-Statuen mit dem Körperbau eines Kämpfers, Wahrmut-Gemälde mit grauen Haaren und sogar Wahrmut-Büsten mit vier Augen. Ein Bildnis von einem unauffälligen Herrn mit schwarzen Haaren war Jakeed noch nirgendwo begegnet. Da man derzeit Wahrmuts fehlenden Bauchnabel nicht sehen konnte, war es unmöglich, ihn als den Propheten zu erkennen. Auch Jakeed musste sich gelegentlich daran erinnern, dass er nicht mit einem Verrückten, sondern mit Wahrmut unterwegs war.
Er hoffte, dass er sich in dieser Hinsicht nicht irrte.
Der steinige Weg führte zunächst durch die besseren Wohngebäude außerhalb der Ortschaft, dann entlang der kleinen, schäbigen Unterkünfte der einfachen Funken und den Hügel hinauf zu jenem gepflasterten Platz vor der Burg, auf dem Jakeed und Bikka seinerzeit die Scheiterhaufen geziert hatten.
Auch heute waren zwei saubere Holzstapel aufgeschichtet. Die Pfähle, an die die Ketzer gewöhnlich angebunden wurden, waren jedoch noch leer.
»Interessant«, sagte Wahrmut.
»Sieht nach Feuerwerk aus«, bemerkte Bikka.
»Feuerwerk?«, fragte Armia.
»Ja«, sagte Bikka. »Die verdorbenen Seelen der Ketzer werden gereinigt, bevor sie in die Ewigkeit übergehen.«
»Das ist mir neu«, entgegnete Wahrmut. »Für mich sieht es eher so aus, als wolle man hier Leute grillen und dann nicht einmal essen.«
»Wie bitte?«, fragte Bikka.
»Nun, wenn man sie wenigstens aufessen würde«, sagte Wahrmut, »hätte das ja noch einen Sinn, weil ein paar Personen davon satt würden. Aber so ist es nichts anderes als eine Hinrichtung. Eine recht grausame, möchte ich hinzufügen. Für das ganze Holz könnte man bestimmt eine sinnvollere Verwendung finden.«
»Kannst du das denen da sagen?«, fragte Jakeed und zeigte mit einer Schulterbewegung auf die Lila Funken, die, angeführt von einem Fahnenträger und dem singenden Knabenchor, gerade aus dem Tor der Lila Burg marschiert kamen. Es folgte eine Gruppe Funken, die aus großen Stofftaschen in Papier gewickelte Süßküchlein holte und an die Anwesenden verteilte. Bevor er es verhindern konnte, hatte auch Jakeed einen solchen Kuchen in der Hand und sah ihn unschlüssig an. Unterdessen kamen immer mehr Leute auf den Platz, angelockt vom Gesang des Chors und den süßen Gaben.
»Da kommen die Ketzer«, bemerkte Bikka.
»Das ist nur einer«, stellte Jakeed fest. Ein Seitenblick auf Wahrmut verriet ihm, dass der Prophet mit verschränkten Armen dastand und das Geschehen aufmerksam beobachtete.
Vor den beiden Scheiterhaufen war ein niedriges Podest aufgebaut worden, das zwei Funken bestiegen. Der eine war alt und gebrechlich, der andere humpelte stark und kam Jakeed bekannt vor. »Kennst du den auch?«, fragte er Bikka. Die nickte nur und machte ein überaus unfreundliches Gesicht.
Es war der Funke, der ihre eigene Verbrennung geleitet hatte. Jakeed hatte ihn nicht gerade in guter Erinnerung. Er würde ihn sicher erkennen. Allerdings sah er weniger fröhlich aus als damals. Langsam ging ihm auf, dass dieser Mann möglicherweise von seinem Herrn für die fehlgeschlagene Verbrennung bestraft werden sollte.
Der ältere Funke mit den grauen Haaren wartete geduldig, bis der Knabenchor seine Darbietung beendet hatte. Er nickte salbungsvoll und hob dann die Hände. »Hört mich an, ihr Funken von Dervadal. Mich, Maladi, den Herrn der Lila Burg von Dervadal und Wohltäter der ganzen Region.«
Ein Murmeln ging durch die Besucher.
»Hört mich also an. Im Namen Wahrmuts, unseres heiligen Prohpeten.«
Jakeed sah Wahrmut erneut an, aber in seinem Gesicht regte sich kein Widerstand.
»Heute ist ein wunderbarer Tag«, fuhr Maladi fort, »denn heute wirkt die Gnade des Herrn durch meine Hand. Der Name dieses Funkens hier lautet Barfosch Tatoko«, wies er auf den Mann neben ihm. »Er wurde zunächst zu Unrecht verurteilt und dann, nach der Aufklärung der Ereignisse, von mir persönlich begnadigt.« Maladi wartete ab, bis die Leute aufgehört
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