Unvergessen wie Dein Kuss
kennengelernt?”
Isabella schaute auf die Straßen hinaus, die allmählich dunkler wurden. An einer Ecke flammte eine Fackel auf, mit der ein Junge zwei Leute über den Bürgersteig begleitete. Isabella ließ langsam den Vorhang wieder vor das Fenster fallen. Dunkelheit hüllte beide ein.
“Ich kenne die Belsyres schon viele Jahre”, antwortete sie dann. “Mr Belsyre war mein …” Sie brach ab. Marcus wartete, aber Isabella gab keine weitere Erklärung. Er war enttäuscht. Ob er ihre tiefsten Geheimnisse wohl jemals enthüllen könnte? Von dem Gefühl der Befriedigung, das er erwartet hatte, nachdem er Isabella ihr selbstständiges Leben entrissen und ihr seine eigenen Regeln auferlegt hatte, spürte er nichts.
“Einer Ihrer früheren Liebhaber, vermute ich”, sagte er.
Der Blick ihrer blauen Augen durchbohrte ihn kalt wie Eis. “Sie vermuten falsch”, erwiderte sie kühl. Sie schwieg, bis der Wagen am Bestimmungsort angekommen war.
Mit einem Blick erkannte Marcus, dass an diesem Abend die bedeutendsten Persönlichkeiten des politischen und diplomatischen Lebens versammelt waren. Henry Belsyre, amerikanischer Botschafter am königlichen Hof, war ein so einflussreicher Diplomat, wie man ihn kaum finden konnte. Staatsoberhäupter, Militärs und Politiker kamen in Scharen zu seinen Soireen. Marcus umfasste Isabellas Arm fest, als sie auf ihre Gastgeber zugingen. Belsyre sprach gerade mit Lord Sidmouth und Fürstin Esterházy, unterbrach das Gespräch aber mit einem Wort der Entschuldigung, sobald er Isabella und Marcus sah. Mit strahlendem Lächeln kam er auf sie zu.
“Isabella! Wir hatten keine Ahnung, dass Sie wieder in London sind! Welch wunderbare Überraschung!” Zu Marcus’ Bestürzung küsste Henry sie kräftig auf beide Wangen. Dann hielt er sie am ausgestreckten Arm fest. “Rose, Isabella ist gekommen!”
“Guten Abend, Sir”, sagte Isabella lächelnd. “Das ist wunderbar! Ich dachte, Sie seien noch in Washington.”
“Aber wir müssen doch nicht so förmlich sein”, grollte Belsyre im Scherz. “Es gab eine Zeit, da nannten Sie mich ‘Onkel Henry’ statt ’sir’, wenn Sie sich erinnern.”
Sie lachte. “Da war ich etwa sechs Jahre alt, Sir, und Sie waren noch nicht Botschafter.”
Onkel Henry?
Marcus starrte sie an. Das war nicht das Verhältnis zwischen Belsyre und Isabella, an das er gedacht hatte. Und Rose Belsyre umarmte Isabella doch tatsächlich! Marcus stand ganz unbeachtet da – wie eine unscheinbare Debütantin, die niemand zum Tanz aufforderte.
“Sie sehen bezaubernd aus, meine Liebe”, sagte Mrs Belsyre mit einem Lächeln. Dann wandte sie sich an Fürstin Esterházy. “Maria, Sie kennen doch Isabella Di Cassilis, nicht wahr?”
“Natürlich”, antwortete Fürstin Esterházy mit einem gewinnenden Lächeln. “Meine liebe Isabella, ich habe gehört, dass Sie wieder in London sind. Warum haben Sie mich nicht besucht?”
“Sie war zu beschäftigt damit, sich zu verheiraten”, sagte Belsyre gutmütig lachend.
Langsam wandte Isabella sich Marcus zu. Einen schrecklichen Augenblick lang dachte er, sie würde der versammelten Gesellschaft die ganze Geschichte ihrer Eheschließung verkünden. Er sah sie an, und sie hielt seinem Blick stand. Marcus wusste, dass Isabella jetzt seine Gedanken lesen konnte. Er wartete darauf, dass die Axt niedersausen und alle seine Pläne für die Zukunft zerstören würde.
“Verzeih mir bitte, Marcus.” Isabella sprach mit einem Charme, der der Situation in vollendeter Weise entsprach. “Ich war so erfreut, Mr und Mrs Belsyre wiederzusehen, dass ich ganz vergaß, dich vorzustellen. Meine Damen und Herren”, sie wandte sich an die Gäste, “dies ist mein Gatte, Marcus Stockhaven.”
Es war eine Demütigung – aber in so perfekter Höflichkeit vorgebracht, dass nichts daran auszusetzen war. Marcus wurde plötzlich deutlich, was es hieß, als Frau immer im Schatten ihres Mannes zu stehen und, weil sie von untergeordneter Bedeutung war, nie zuerst begrüßt zu werden. Ihm kam wieder in den Sinn, dass er Isabella im Fleet gesagt hatte, wie sehr es ihm zuwider war, wegen seines Geldes geheiratet und dann verlassen zu werden. Isabella hatte darauf geantwortet, dass er nun wisse, was es bedeutete, eine Frau zu sein …
“Stockhaven!” Henry Belsyre schüttelte ihm mit einem festen Händedruck die Hand. “Sehr erfreut darüber, dass Isabella bei ihrer zweiten Verbindung eine so gute Wahl getroffen hat. Ganz herzlichen
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