Unzaehmbares Verlangen
hast von klein auf gelernt, logisch und vernünftig zu denken, ohne dich von Gefühlen beeinflussen zu lassen.«
Letty zog die Nase kraus. »Klingt ziemlich langweilig.«
»Das ist kein Spaß, Letty.«
»Ich weiß«, murmelte sie. »Es tut mir leid. Ich brauche deinen Rat, Dad.«
»Ich kann dir nur noch einmal empfehlen, so zu handeln, wie ich dich erzogen habe. Schalte deine Gefühle aus und versuche, logisch zu denken.«
»Ich werde mir Mühe geben, Dad.« Letty ließ sich seufzend in den Sessel zurücksinken. Sie wußte, daß sie bereits viel zu tief in die Beziehung zu Joel Blackstone hineingeraten war, um logische Entscheidungen zu treffen, die ihre Emotionen unberücksichtigt ließen.
»Ich bin fertig.« Stephanie kam herein. »Können wir gehen, Letty? Heute abend werden wir einen interessanten Vortrag hören. Dr. Marklethorpe ist ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der frühkindlichen Entwicklung. Er hat bedeutende Forschungsarbeiten über die psychologischen und motorischen Funktionen von Babys in den ersten sechs Wochen des Lebens vorgelegt.«
»Aufgrund seines eigenen Lebens?« fragte Letty ironisch. Als sie den verletzten Ausdruck in Stephanies Augen sah, bereute sie ihre Bemerkung. »Es tut mir leid. Das war ein dummer Scherz.« Sie stand auf. »Wir sollten uns auf den Weg machen, sonst kommen wir zu spät.«
»Fahrt vorsichtig!« rief Morgan ihnen nach. »Letty?«
»Ja, Dad?«
»Vergiß die Liste nicht. Ich glaube, du wirst feststellen, daß eine Beziehung zu Joel Blackstone im Augenblick nicht sehr vorteilhaft ist.«
»Ja, Dad.« Letty unterdrückte ein Seufzen, als sie Stephanie zur Tür folgte. Ihr Vater hatte leicht reden.
»Du hast ein Verhältnis mit Joel Blackstone?« fragte Stephanie, nachdem sie in den Wagen gestiegen waren.
»Ja, so kann man es wohl nennen.«
»Glaubst du, daß das klug ist?«
»Nein.«
»Warum hast du dich dann darauf eingelassen?«
»Es ist einfach passiert«, erwiderte Letty.
»Unsinn. Ich kenne deinen Vater. Er hat dir in seiner Erziehung Selbstbeherrschung beigebracht, das weiß ich.«
»Also gut«, erklärte Letty hitzig. »Ich wollte es so.«
Stephanie ließ den Motor an. »Handelt es sich um körperliche Leidenschaft?«
»O ja.«
»Besteht auch eine intellektuelle und emotionale Beziehung zwischen euch?«
»Ich denke, daß wir beide nicht sehr vernünftig handeln«, gab Letty zögernd zu.
»Dann wäre es wohl am besten, diese Affäre sofort zu beenden«, riet Stephanie, während sie den Porsche auf die Straße lenkte.
Letty wünschte verzweifelt, sie hätte ihrem Vater gegenüber nie etwas von der Beziehung zu Joel erwähnt. Eigentlich hatte sie vorher schon genau gewußt, was er ihr raten würde. Selbst als sie noch ein Kind war, hatte sie sich das ständig anhören müssen: »Mach dir eine Liste, Letty, und wäge alle Faktoren gegeneinander ab. Die optimale Lösung wird dir dann nicht schwerfallen.«
Eine Stunde später, als sie sich in dem Kursraum gerade einen Film über die verschiedenen Entwicklungsstadien von Säuglingen und Kleinkindern ansahen, spürte Letty plötzlich, wie Stephanie sich versteifte. Sie lehnte sich vor und sprach ihre Stiefmutter leise an.
»Alles in Ordnung, Steph?«
»Ja.« Stephanie starrte wie gebannt auf die Leinwand.
Dr. Marklethorpes Stimme dröhnte durch das abgedunkelte Zimmer. »Wie Sie sehen, ist der Säugling selbst im Alter von sechs Wochen bereits fähig, seine Bedürfnisse kenntlich zu machen. Wenn diese Bewegungen von ausgiebigem Gähnen begleitet sind, ist das Kind müde.«
»Darauf wäre ich nie gekommen«, flüsterte Letty Stephanie zu.
»Bitte sei ruhig.«
»Entschuldigung.« Letty konzentrierte sich wieder auf den Film.
»Hier können Sie genau erkennen, daß der Säugling hell-wach ist. Das bedeutet, er ist jetzt aufnahmefähig für weitere Lernelemente. Betrachten Sie diese Phasen als die beste Zeit, ihm etwas Neues beizubringen.«
»Gut beobachtet«, murmelte Letty.
»Und jetzt beachten Sie bitte die Unterschiede zwischen einem Neugeborenen und einem sechs Wochen alten Säugling. Das Neugeborene schrie nach der Geburt sehr kräftig und wies eine ausgezeichnete körperliche Verfassung auf. Das heißt...«
Letty bemerkte, daß Stephanie sich vorbeugte und die Hände auf den Bauch legte. »Stephanie, was ist los?«
»Nichts.« Ihre Stimme klang gepreßt.
»Aber ich sehe doch, daß es dir nicht gut geht. Laß uns nach draußen gehen.«
Zu Lettys Überraschung leistete Stephanie
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