Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
wie erklären Sie sich dann das Blut auf der Veranda?«
Daniels Gesicht wurde ausdruckslos.
»Es kann nicht seine Aufgabe sein, das zu erklären«, warf Dad ein. »Es kann alles Mögliche gewesen sein. Wahrscheinlich eine der Katzen aus der Nachbarschaft. Haben Sie kein gerichtsmedizinisches Labor, um das herauszufinden?«
Der Sheriff grunzte. »Das Sheriff-Büro von Rose Crest befindet sich in einem Wohnwagen hinter der Gas-’n’-Go-Tankstelle. Ich werde meinen Kollegen Marsh eine Probe nehmen lassen und sie ins Labor in der Stadt schicken. Es wird eine Weile dauern, bis wir das Ergebnis haben.« Er sah mich an. »Und möchten Sie sonst noch etwas hinzufügen? Nichts weiter, an das Sie sich erinnern können?«
»Daniel hat das Leben meines Bruders gerettet«, erwiderte ich. »Mehr gibt es nicht zu sagen.«
Ein Wagen kam die Auffahrt hinaufgeschossen und trieb eine Horde von Zuschauern auf den Rasen.
»Mom! Dad!« Jude sprang aus dem Minivan und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Nicht einmal der Hilfssheriff konnte ihn aufhalten. »Ich hab die Kavallerie mitgebracht! Die Hälfte der Freiwilligen aus dem Obdachlosenheim ist hier, um uns beim Suchen zu helfen …«Er hielt inne. Der Ausdruck des Triumphs auf seinem Gesicht verwandelte sich in ein versteinertes Nichts. Ich folgte seinem starren Blick von James in den Armen meiner Mutter zu Dad, der Daniel väterlich umarmt hielt.
»James ist okay«, sagte Mom.
»Dank Daniel«, fügte Dad hinzu und drückte Daniels Schulter. »Ohne ihn wäre James verloren gewesen.«
Der Sheriff reichte Daniel die Hand. Daniel zuckte zusammen. Doch als der Sheriff ihm herzlich die Hand schüttelte, erschien ein ungläubiges Staunen auf seinem Gesicht.
»Gut gemacht«, sagte der Sheriff und leuchtete mit der Taschenlampe auf den Zaun im Hintergrund. »Das sollten Sie reparieren lassen«, sagte er zu Dad. »Sie können froh sein, dass dieses Mal nichts passiert ist. Wenn Ihr Sohn hier nicht gewesen wäre …« Erst dachte ich, er würde Jude meinen, doch dann sah ich, dass er Daniel anlächelte.
Dad korrigierte ihn nicht.
»Wir werden hier unser Zeug zusammenräumen und verschwinden dann.« Der Sheriff klopfte Daniel auf den Rücken. »Meine Frau hatte einen hysterischen Anfall, als ich vorhin das Abendessen unterbrechen musste. Ihre Eltern sind zu Besuch. Tja, sie wollten, dass ihre Tochter einen Buchhalter heiratet.«
»Wir werden uns gleich um den Zaun kümmern«, sagte Dad und schüttelte dem Sheriff die Hand. »Daniel, du bist doch praktisch veranlagt, nicht wahr?«
Daniel nickte.
»Ich bringe James jetzt mal rein«, sagte Mom mit einem zarten Lächeln und drückte Daniels Arm. Es war wohl ihre Art Dankeschön zu sagen.
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Es hatte wohl einer gewissen Verdrehung der Wahrheit bedurft, doch mein Plan, Daniels Leben wieder in Ordnung zu bringen, funktionierte – die Rettungsleine, die ich ihm angeboten hatte, schien ihn wieder an Land zu ziehen.
Plötzlich hörte ich ein tiefes Grollen aus der Richtung meines älteren Bruders. Er zitterte am ganzen Leib.
»Ju…«
Jude stürzte sich auf Daniel. »Du warst es!«, schrie er und versetzte Daniel einen Faustschlag ins Gesicht.
Daniel fiel nach hinten und riss mich dabei mit zu Boden. Jude ging erneut zum Angriff über und trat praktisch auf mich drauf, um Daniel zu erreichen. Doch plötzlich stand der Sheriff über ihm und hielt ihn zurück. Mom rief etwas.
Jude schlug mit den Armen um sich und schrie: »Er war es! Er war es! Könnt ihr das nicht sehen?«
Daniel rappelte sich wieder auf. »Jude?« Er streckte die Hand nach seinem ehemals besten Freund aus. »Ich schwöre dir, dass ich es nicht war.«
Jude riss sich aus der Umklammerung des Sheriffs los und versuchte, wieder auf Daniel loszugehen. Dad trat dazwischen. Der Sheriff packte Jude von hinten.
»Beruhige dich«, sagte Dad.
»Er war es. Er hat James entführt!« Jude sah den Sheriff an. »Nehmen Sie ihn fest, bevor er abhaut!«
Daniel trat einen Schritt zurück. Ich war mir darüber im Klaren, dass er bereits jetzt eine Viertelmeile von uns hätte entfernt sein können, doch er machte keinen Versuch zu entkommen. Er ließ zu, dass der Hilfssheriff, der herbeigeeilt war, seinen Arm ergriff.
»Hör auf damit!«, brüllte ich Jude an und versuchte, auf meine schmerzenden Beine zu kommen. »Hör auf zu lügen! Daniel hat James
gerettet
. Er hat ihn davor bewahrt, in der Schlucht zu ertrinken.«
»Hör doch
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