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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Taube aus Granada ist in den Schlag zurückgekommen, mit gebrochenem Bein und zerzaustem Gefieder. Und ohne Botschaft. Dann noch zwei weitere, ebenso lädiert.
    Helle Aufregung im Alcazar.
    Weshalb eigentlich?
    Zum ersten Mal lasse ich mir das System dieser fliegenden Boten mit ihren oft geheimen Nachrichten erklären   – ich hatte, wenn es mir möglich war, ihre Dienste bisher gedankenlos in Anspruch genommen.
    Jede Taube will den eigenen Schlag aufsuchen und flieht den fremden. Was bedeutet, dass die Tiere jeweils nur in einer Richtung unterwegs sind: nach Hause. Der Besitzer der Brieftauben muss also die Tiere jeweils an den Orten deponieren, aus denen er Nachrichten zu erhalten wünscht. Was voraussetzt, dass er jeweils in gutem Einvernehmen mit dem Verbindungsmann stehen muss und somit eigentlich nur das erfährt, was dieser ihm mitzuteilen wünscht. Da er aber an jedem dieser Orte, sprich, an den Fürstenhöfen, gewiss auch einen vertrauten Informanten hat, wird dieser wiederum Mittel und Wege finden, eine verschlüsselte Nachricht mitzuschicken, die Ausgespitzeltes enthält.
    Sevillas Tauben nun sind bekannt; sie stammen aus der exquisiten Zucht Abu Abse, auch Bagdadi genannt, wie sie sonst niemand in Al Andalus hält. Die Verletzung eines solchen kostbaren Tiers wird mit strengen Strafen geahndet.
    Dessen ungeachtet aber gilt die Sorge des Fürsten Al Mutadid in diesem Fall nur vordergründig dem verletzten Nachrichtenübermittler. Vielmehr lautet die Frage: Was ist los in Granada?
    »Mein Vater versetzt schon die Truppen in Alarmbereitschaft!«, erklärt mir der Prinz, als er endlich, gegen Abend, Zeit für mich findet, um meine Neugier zu befriedigen.
    (Ich stelle fest, dass er von Tatendrang beseelt scheint, mit weit ausholenden Bewegungen und gleichsam auf dem Sprung. Er trägt sogar ein Krummschwert an der Seite. Wenn es drauf ankommt, verwandelt der »Schöngeist« sich schnell in einen Krieger.)
    »Wieso die Truppen?«, frage ich begriffsstutzig.
    Al Mutamid lacht.
    »Was auch immer in Granada passiert sein mag   – ob Feuersbrunst, Revolte oder ein Überfall aus einer anderen Taifa   –, auf alle Fälle hat das Land gerade offensichtlich so etwas wie eine Schwachstelle. Und wer die nicht ausnutzt . . .« Er beendet den Satz nicht. »Eilboten sind unterwegs, uns Gewissheit zu verschaffen.«
    »Ich verstehe zu wenig von Politik«, sage ich scheinheilig. »Will der Emir Granada annektieren?«
    »Mein fürstlicher Vater, der Emir Al Mutadid, wird gewiss keine Gelegenheit verstreichen lassen, die Sevilla zum Vorteil gereichen könnte«, bemerkt der Prinz geschraubt und dekoriert den ausdeutbaren Satz mit einem seiner mädchenhaften Augenaufschläge. »Wir machen einen Staatsbesuch. Natürlich mit einer Schutztruppe . . .«
    Das riecht nach entschlossener Aktion.
    Da fällt mir ein: Wollte nicht die Jüdin, deren Perlen ich habe, ebenfalls nach Granada? Nun, es ist kaum anzunehmen, dass sie irgendetwas von den »Wirren« (gleich, wie die aussehen mögen) mitbekommen hat. Sie wird im sicheren Harem ihres Onkels sitzen und ihre mondscheinzarten Verse dichten.
    Ich für mein Teil muss für den Augenblick das Schreibrohr des Poeten aus der Hand legen und mich um das kümmern, was mich zurückführt in die Arme Valadas. Wie hatte der Kronprinz so richtig bemerkt, als es darum ging, einen Nachkommen aus dem Kalifengeschlecht zu finden? Wir müssen ihn wohl aus der Erde graben.
    Ich beginne damit.
    Der Alcazar Sevillas hat, wie sollte es anders sein, eine umfangreiche Bibliothek; diese Kleinkönige wetteifern ja darum, die jeweils meisten Bücher zu besitzen sowie die berühmtesten Poeten, scharfsinnigsten Gelehrten und originellsten Erfinder um sich zu versammeln. Ich begebe mich dorthin und stoße auf einen rothaarigen Bibliothekar namens Ibn Hayyam, der, welch Glücksfall, mit Besessenheit die Geschichte von AlAndalus studiert und an einer umfangreichen Historie des Landes arbeitet. Das Kapitel über die Omayaden hat er schon fertig, einschließlich der Vorgänge in der jüngsten Vergangenheit. Es ist, so erklärt er mit Feuer, während er mir den betreffenden Band aushändigt, für einen Erforscher der Geschichte immer eine besonders dankbare Sache, wenn eine historische Episode abgeschlossen ist und es keine Veränderungen mehr geben kann.
    Nun ja, vielleicht hat er sich darin ja getäuscht.
    Am nächsten Tag beginne ich mit dem Studium dessen, was sich in den Jahren nach dem Tod des großen Hakam, der

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