Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
Jahre alt. Welche Frau ihres Alters lässt sich vergewaltigen? Tina weiß, dass es nicht ihre Schuld ist, natürlich nicht, und doch könnte sie das Urteil der anderen Leute nicht ertragen. Sie hat das Gefühl, dass alle sie verurteilen würden, selbst ihre eigene Tochter. Welche Frau in den Fünfzigern geht aufgetakelt wie ein junges Flittchen allein an einem Samstagabend in eine Bar? Eine Frau, die Ärger sucht, oder eine Prostituierte, so eine. Er hatte es auf den Spiegel geschrieben: Dreckige alte Hure .
Tina hatte sich aufgerappelt, ein Handtuch geschnappt und versucht, den Lippenstift vom Spiegel zu wischen, bis es ein einziger großer, verschmierter roter Klecks war. Sie musste aus dem Hotel verschwinden, bevor das Management verständigt wurde.
Die letzte Kränkung erfuhr sie, als sie feststellte, dass sie im teuersten Fünfsternehotel in ganz Mailand abgestiegen war: dem Savoie Regency, einem Hotel, das immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen gehabt hatte. Dort hatte Phil vor all den Jahren gewohnt, als Tina ihn kennenlernte. Als sie in ihrem zerrissenen Kleid auscheckte, das Gesicht hinter einer Sonnenbrille versteckt, die sie zum Glück in ihrer Handtasche gefunden hatte, sprach der Manager sie zu ihrem Entsetzen mit Namen an. Als sie fragte, ob das Zimmer bezahlt sei, antwortete er mit aalglatter Stimme: »Aber natürlich haben Sie es gestern Abend bezahlt, Signora Rosselli. Mit Ihrer Kreditkarte. Erinnern Sie sich denn nicht?«
Als sie nach Hause kam, duschte sie dreimal hintereinander. Sie schrubbte sich ab, bis ihre Haut wundgescheuert und blutig war. Dann kletterte sie ins Bett. Nachdem sie sich so oft übergeben hatte, fühlte sie sich schwach und wollte am liebsten sterben. Als Valentina nach Hause kam, tat Tina, als wäre sie krank. Sie konnte ihrer Tochter nicht in die Augen sehen.
Sie hatte vorgehabt, Valentina das alles zu erzählen, als sie nach Griechenland fuhren. Sie wollte ihren Schmerz, ihre Demütigung teilen. Sie musste sich jemandem anvertrauen. Wer eignete sich dafür besser als ihre Tochter? Sie wollte, dass sie Freundinnen waren. Aber Valentina war ihr so fremd gewesen. Jedes Mal wenn sie mit ihr zu reden versuchte, sagte Valentina, sie solle sie in Ruhe lassen. Es gab einfach nie den richtigen Zeitpunkt, um sich ihr zu öffnen. Tina wollte sich von dem reinigen, was in jener Nacht in Mailand passiert war. Sie wanderten stundenlang, Tag für Tag, kletterten auf felsige Hügel und schlenderten durch alte Ruinen. Tina versuchte, an diesem schönen Ort etwas Liebe zum Leben zu finden. Sie tauchte tief in das Ägäische Meer und wünschte sich, sie könnte bis zum Grund und in eine andere Welt abtauchen. Ein magisches Unterwasserreich, in dem die Liebe unangefochten herrschte. In Griechenland dachte sie viel über Karel nach. Vielleicht lag es daran, dass Valentina ihm von Tag zu Tag ähnlicher sah. Wie wäre es gewesen, wenn er vor all den Jahren zu jenem Grenzübergang gekommen wäre?
Jeden Tag in Griechenland versuchte Tina verzweifelt, diese abscheulichen Worte abzureiben, mit denen ihr Vergewaltiger ihr Herz gebrandmarkt hatte. Dreckige. Alte. Hure. Das Seltsame war, dass das harmloseste Wort sie am meisten verletzte: alt. Sie versuchte, nicht verbittert zu sein oder zu einer Männerhasserin zu werden. Jetzt erkennt sie, dass es nicht geklappt hat. Sie hatte ihre Rachegelüste an Valentinas verheiratetem Liebhaber ausgelassen. Sie hatte ihn für das bezahlen lassen, was ihr in jener Nacht in Mailand passiert war.
Tina lehnt sich auf der Couch zurück und sieht sich im Zimmer um. Sie hat ihr ganzes Leben in dieser Wohnung gelebt. Sie war immer ihre Zuflucht gewesen. Aber jetzt fühlt sie sich wie ein Gefängnis an. Sie muss Mailand verlassen. Nicht, weil sie den Gedanken nicht ertragen kann, ihrem Vergewaltiger oder ihren Vergewaltigern eines Tages zu begegnen, ohne es zu wissen. Nein, wenn Tina Mailand nicht verlässt, wird Valentina sie verlassen, und das könnte sie nicht ertragen. Sie muss ihrer Tochter eine Art Stabilität geben, und wenn sie ihr die Wohnung überlässt, kann sie Valentina eine Zuflucht bieten. Außerdem glaubt sie aufrichtig, dass Valentina im Augenblick ohne sie besser dran ist. Vielleicht können sie irgendwann später wieder zusammenleben, aber im Moment braucht ihre Tochter ihre Unabhängigkeit. Sie muss die Flügel ausbreiten und aus dem Schatten ihrer gestörten Mutter treten. Tina würde sie nur verkorksen. Valentina wird denken, dass Tina
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