Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit verlangte, irritierte ihn.
Sie bot ihm nochmals einen Bissen von ihrem belegten Brot an, und er schüttelte wieder den Kopf.
»Bitte, mir zuliebe«, flehte sie.
»Nein«, sagte er scharf. »Lass das. Ich denke nach.«
»Über was?«, schnauzte Ibolya zurück.
»Über den Krug«, sagte er. »Der Krug für Valeria. Ihn zu töpfern ist verzwickt und ich sehe die Lösung noch nicht.«
Ibolya hörte auf zu kauen. Sie hätte Gift und Galle spucken können. Sie legte ihr Brot auf den Tisch und stand auf. Der Töpfer sah sie an.
»Das Dings auf der Töpferscheibe ist für Valeria?«, fragte sie.
»Ja«, sagte er. »Ich hab’s ihr versprochen, weil sie mir die Milch gebracht hat.«
»Aber die Milch war sauer«, sagte Ibolya. »Wahrscheinlich ist ihre Kuh krank.«
Der Töpfer zuckte die Achseln, blickte umher und sah zum ersten Mal, wie sauber es war.
»Also, sie hat auch die Küche geputzt.«
Ibolya blähte die Nasenflügel. Sie lief zurück in die Werkstatt, ging zur Töpferscheibe und riss den Mull vom Ton, der nichts als ein feuchter Klumpen war. Trotzdem war sie wütend. Wer was zu wem gesagt hatte, war ihr egal. Das hier war ihr Revier.
»Du Scheißkerl«, sagte sie zum Töpfer. »Für wen hältst du dich eigentlich?«
Der Töpfer stand im Türrahmen.
»Bitte was?«
»Spiel nicht den Dummen. Glaubst du, ich merke nicht, was los ist?«
»Womit?«, sagte der Töpfer.
»Vor meinen Augen!«
»Ein Krug«, sagte er.
Ibolya schrie, ballte die Hände zu Fäusten und hämmer te auf den Ton ein. Sie bearbeitete ihn so lange, bis nur noch eine zerquetschte unansehnliche Masse übrig war.
»Warum hast du das getan?«, fragte er.
»Was fällt dir ein«, sagte sie. »Du weißt genau, warum!« Sie deutete in die Richtung ihrer Kneipe. »Ich kann jeden Mann haben, den ich will. Jeden einzelnen.«
Der Töpfer zuckte die Achseln. »Du übertreibst total.«
Ibolya schrie wieder und schlug nochmals auf den Ton ein.
»Wenn du der alten Hexe was schenken willst, nur zu. Aber dann siehst du mich nie wieder.«
Darüber dachte der Töpfer kurz nach.
»Ibolya, das haben wir doch besprochen. Du hast mir selber gesagt, dass du nicht meine Ehefrau bist, auch nicht meine Verlobte, und dass wir nicht mal ein Liebespaar sind. Was ist also los?«
»Untersteh dich, mir zu erzählen, was ich gesagt hab«, sagte Ibolya. »Wenn du ihr diesen Krug machst, ist es aus zwischen uns.«
»Also, erst mal haben wir nichts miteinander, was aus sein könnte«, sagte er. »Und den Krug mache ich, weil mir eine Idee gekommen ist, die ich gern ausprobieren möch te .«
Ibolya nickte. Sie hatte den Blick abgewandt, strich die Hände übereinander, verließ die Werkstatt und ging davon.
»Auf Nimmerwiedersehen«, sagte sie.
Der Töpfer zuckte die Achseln. Es war ein seltsamer Tag.
IV
I bolya sah mehr nach einem Pferd als nach einer Frau aus, und zwar nicht nur, weil sie immer so schwitzte. Das Neonlicht über dem Tresen schmeichelte ihrem Aussehen nicht gerade: Wenn es an war, stellte man sich sofort vor, wie sie durch Stalltüren stürmte und über bedürftige kleine Kinder hinwegtrampelte, die ihr in die Quere kamen. Sie hatte ein markantes Gesicht, und Nase und Kinnlade waren fast missgebildet. Ihre untere Gesichtshälfte ab der Nase und ihr Riesenbusen waren am charakteristischsten für sie. Sie hatte eine lange scharfe Hakennase. Die Män ner starrten ihr Gesicht an, dann ihren Busen und bestellten dann benommen einen Liter billiges Bier nach dem anderen.
»Sie ist ein Naturphänomen, ein echtes Vollblut«, sagten sie, tranken und starrten auf ihre Brust. Ibolya machte sich über sie lustig. Dass sie die Phantasie ihrer Gäste anregte, gefiel ihr. So blieben sie durstig. Sie sah sich gerne an, wie die Spatzenhirne unter ihnen sich mühsam vorzustellen versuchten, wie sie auf ihrem Schoß saß und ihnen die Ohren kraulte. Bei ihnen beugte sie sich noch weiter vor und ergoss sich praktisch in ihre Gläser. Sie reagierten darauf, indem sie noch mehr Bier in noch größeren Gläsern bestellten.
Ibolya hatte ebenso großen Einfluss auf die Männer des Dorfes wie der Bürgermeister. Wäre es ihr in den Sinn gekommenund hätte sie sich darum bemüht, hätte sie Bür germeisterin werden können. Sie konnte sogar seine Absetzung verlangen und sich selbst als Bürgermeisterin einsetzen lassen. Mit einem Fingerschnipsen von ihr wäre der Bürgermeister geteert und gefedert aus der Stadt gejagt worden. Zu seinem Glück
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