Valhalla: Thriller (German Edition)
für möglich, dass sie nicht gefunden werden wollten.«
»Was sind das für Veränderungen? Hast du Aufnahmen von Pecker gemacht? Ich will ihn mir ansehen.«
»Glaub mir, das willst du nicht.«
»John.« Sie lächelte und ergriff seine Hand. »Ich finde es rührend, dass du so um mich besorgt bist und mich schützen willst. Aber es hat keinen Sinn, mir Informationen vorzuenthalten. Wenn du dir die Bilder anschauen kannst, kann ich das auch.«
John sah Stromberg an, doch der zuckte nur die Schultern.
»Na schön, wie du willst.« Er öffnete einen Ordner auf dem Desktop, ließ den Mauszeiger über die einzelnen Dateien flitzen und hielt dann an bei einer, die mit F-156A gekennzeichnet war. Ein Doppelklick, und das Bild sprang auf.
Hannah musste einen Schrei unterdrücken. Ihre Hände verkrallten sich in der Tischplatte, und ihr Rücken streckte sich kerzengerade. Instinktiv wich sie mit ihrem Stuhl ein Stückchen zurück.
Mein Baby
, schoss es ihr durch den Kopf.
Alles, nur nicht das.
»Ist das Pecker?«, flüsterte sie.
»Ja«, entgegnete John. »Zu dem Zeitpunkt, als er noch gelebt hat.«
Hannah fiel es schwer, das zu glauben. Andererseits: Sie hatte John um Ehrlichkeit gebeten. Er würde sie nicht anlügen.
Nachdem sie eine ganze Weile nachgedacht hatte, sagte sie mit leiser Stimme: »Ich werde zurückgehen. Ich werde diesen Erreger isolieren und der ganzen Sache ein Ende bereiten. Niemand hat es verdient, so zu enden, am allerwenigsten mein Kind. Ich habe gesagt, dass ich alles dafür tun würde, dass ihm dieses Schicksal erspart bleibt. Ich meine, was ich sage. Und diesmal will ich mein eigenes Team haben.«
»Ausgeschlossen«, sagte Stromberg. »Haben Sie denn nicht zugehört? Das Areal ist abgeriegelt. Nicht mal eine Maus käme da rein.«
»Ich kenne Leute, die das schaffen können«, sagte Hannah. »Ich weiß noch nicht, wie, aber wir werden einen Weg finden. Wir
müssen
es.«
»Sie sind verrückt. Niemand wird sich Ihnen bei so einem Himmelfahrtskommando anschließen, und wenn doch, wie wollen Sie diese Leute bezahlen?«
Hannah warf Stromberg einen vernichtenden Blick zu. »Sagten Sie nicht, Sie schulden mir noch etwas?«
22
Japan …
G rau und eintönig zog die Landschaft vorbei. An diesem kalten Dezembermorgen wirkte sie besonders deprimierend. Hiroki Tanaka blickte über das Lenkrad seines Subaru Forester und schauderte. Die Spuren des Tsunami waren immer noch präsent, selbst nach all den Jahren.
Es geschah am 11. März 2011, um 14:46 Uhr Ortszeit. Das große Seebeben vor der Sanriku-Küste, auch als
Tōhoku-Erdbeben
bekannt. Felder, Wiesen und Dörfer waren von der furchtbaren Kraft des Meeres eingeebnet worden. 16 000 Menschen getötet, 470 000 obdachlos, 375 000 Gebäude zerstört.
Was früher mal eine grüne, fruchtbare Küstenlandschaft gewesen war, hatte sich nach Verschwinden des Meeres in eine trostlose Salzmarsch verwandelt, in der kaum etwas wachsen wollte. Selbst hier, zwanzig Kilometer landeinwärts, gab es nur graue, tote Erde. So grau wie die Gesichter der Menschen, die zur Arbeit gingen oder Einkäufe erledigten. Sie waren körperlich zwar anwesend, doch in ihren Gedanken schienen sie ganz woanders zu sein. Einzig die Kinder, die mit Tornistern auf dem Rücken die Straße entlangliefen oder mit dem Bus zur Schule gebracht wurden, verströmten so etwas wie Lebensfreude. Bei ihren Eltern und Großeltern jedoch war der Funke erloschen. Es gab niemanden, der ihnen ihre Angehörigen, ihre Freunde, Kinder und Geliebten wiederbringen konnte. Nichts vermochte den Verlust und den Schmerz zu lindern. Es war ein Land von Geistern, entrückt von Raum und Zeit.
Sein Heimatort Hanamaki in der Präfektur Iwate war wie durch ein Wunder verschont geblieben. Eine schmale Bergkette hatte die Flutwelle abgewehrt und die tödlichen Wassermassen zu anderen Stellen umgelenkt. Kein einziger Bewohner war getötet worden, obgleich das Beben natürlich beträchtliche Schäden hinterlassen hatte. Die Instandsetzungsarbeiten waren noch lange nicht abgeschlossen, sie würden sich vermutlich über Jahre hinziehen. Doch verglichen mit den Schäden in der Präfektur Miyagi und im südwestlich gelegenen Fukushima waren das Peanuts.
Fukushima
, allein der Klang löste bei ihm eine Gänsehaut aus. Ein Name wie aus einem schlechten Traum. Die Kraftwerksblöcke eins bis sechs lagen kaum dreißig Kilometer von ihm entfernt. Hiroki hatte das Gefühl, dass der Himmel dort ein bisschen dunkler wäre.
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