Valley - Tal der Wächter
betrachtete ihren geschwollenen Knöchel, dann sah sie wieder ins Feuer. »Es tut mir leid, Hal.«
»Schon gut.« Er trank noch einen Schluck Wein. »Was eigentlich? Nur damit wir uns nicht missverstehen.«
»Dass ich uns dort hochgeführt habe. Und alles, was ich gesagt habe... über die alten Heldengeschichten und so weiter. Jetzt tut’s mir leid, dass ich mich darüber lustig gemacht habe, Hal, aber ich hätte nie geglaubt, dass...«
»Ich auch nicht.«
»Ist noch Wein da?«
»Hier nicht. Ich hol noch welchen aus der Küche.« Aber Hal rührte sich nicht.
»Du glaubst doch nicht«, meinte Aud nach einer kleinen Pause, »dass uns der Trold bis hierher verfolgt? Weil wir die Grenze überschritten haben?«
»Dann hätte er uns längst geholt. Wir haben ewig gebraucht, bis wir wieder hier waren. Die Grenze ist offenbar noch sicher.«
Aud kauerte sich tiefer in ihren Sessel. »Du hast ihn auch nicht gesehen, oder?«
»Nein. Bloß gerochen, gehört und gespürt...« Hal rieb sich die Augen.
»Wir waren so dumm! Es stimmt alles, die alten Geschichten haben ganz recht...«
Sie hörte sich sehr kleinlaut an und ihre Stimme zitterte ein bisschen. Hal setzte sich aufrecht hin und versuchte, sie aufzumuntern. »Na ja, nicht alle. Katlas Geschichte über den Fluch zum Beispiel nicht.«
»Welchen Fluch?«
»Es ist jedenfalls nicht eingetreten...« Er grinste matt. »Du weißt schon!«
Sie sah ihn verständnislos an. »Was meinst du?«
»Das, was angeblich Männern passiert, wenn sie die Grenze übertreten... Ist ja auch egal.«
»Ach so. Alles noch dran? Da bin ich ja beruhigt.«
Wieder Schweigen.
Dann rief Aud: »Beinahe hätte ein Trold uns beide umgebracht, Hal! Das beruhigt mich ganz und gar nicht!«
»Wir sind doch mit dem Leben davongekommen, oder?«
»Ja, schon, aber wozu? Wir sitzen in der Falle! In diesem Tal, in unseren Häusern. Wir sitzen hier fest, genauso, wie es die alten Geschichten behaupten.«
Dass sie aussprach, was ihn selbst beschäftigte, machte Hal noch zorniger. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. »Ich finde mich nicht damit ab!«, sagte er grimmig. »Ich gehe noch mal dort hoch.«
»Wie bitte? Hast du jetzt endgültig den Ver...«
»Wir waren nur zu zweit, Aud, bewaffnet mit ein paar rostigen Erntegeräten und einer albernen nachgemachten Klaue.« Er beugte sich vor und schwenkte seinen Becher. »Als wir den Trold in die Flucht geschlagen haben, war es stockfinster. Stell dir doch mal vor, der Mond hätte geschienen! Stell dir vor, wir hätten Laternen gehabt und wären mehr Leute gewesen! Dann hätten wir ihn leicht töten können.«
Aud schnaubte halb verächtlich, halb prustete sie spöttisch. »Einen Trold, Hal! Du triffst den Nagel auf den Kopf! Einen einzigen! Dort oben gibt es Hunderte davon! Hast du die Knochen schon vergessen? Willst du auch so enden? Dann geh nur wieder hinauf!«
»Wir hatten keine einzige vernünftige Waffe dabei!«, überging er ihre Einwände. »Guck dir das blöde Ding doch an!« Er öffnete seine Jacke und deutete auf die sichelförmige Troldklaue. »Schön, sie ist ziemlich scharf, aber nichts Besonderes. Wahrscheinlich hat Björn sie in einer halben Stunde selbst geschnitzt. Trotzdem hat sie den Trold verwundet und ihn verjagt. Jetzt stell dir bloß mal vor, wir hätten ein Schwert, ein richtiges, auf die alte Art geschmiedetes... Was würde dann wohl passieren?«
»Es gibt aber keine Schwerter mehr, Hal.«
»Weiß ich.«
»Die einzigen Schwerter, die es noch gibt, wurden mit den Helden begraben.«
»Weiß ich.«
Er sah sie an. Sie sah ihn an. Wieder rüttelte ein Windstoß an den Fenstern. »Wenn du denkst, was ich glaube, dass du denkst – denk gar nicht erst dran!«, sagte Aud. »Und sprich es schon gar nicht aus. Es ist der helle Wahnsinn.«
»Wieso? Es könnte klappen.«
»Nein, Hal, das ist ausgeschlossen. Die Geschichten sind in diesem Punkt eindeutig. Die Schwerter halten die Trolde von unserem Tal fern.«
»Eben! Mit so einem Schwert könnte man sich...«
»Deshalb bekommt jeder Tote ein kleines Schwert mit ins Grab. Um die Grenze noch zu verstärken.«
»... bis übers Hochmoor und ins Gebirge durchschlagen und dann...«
»Hal! Die Grenze wird von den Helden bewacht.Von ihren Schwertern, von der Erinnerung an ihre Taten. Wie das eigentlich geht, weiß keiner, aber es funktioniert – wie wir beide selbst erfahren haben! Arne bewacht sein Gebiet, Sven bewacht das seine. Auf diese Weise bleibt alles beim Alten.«
»Ich
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