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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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auf der Mauer hockte Aud, ihr langes Haar flatterte im Wind.
    »Wird’s bald!«, fuhr sie ihn an. »Wir müssen schließlich noch den Hügel hochsteigen!«

28
    Als die Helden tot und die Trolde verjagt waren, wurde es ruhiger im Tal. Die Leute hatten genug von den alten Bräuchen und sehnten sich nach einem friedlicheren Leben. Kaum waren die Hügelgräber der Helden auf den Höhen errichtet, setzten sich ihre Witwen auch schon zusammen, um die neue Lage zu besprechen. Das war die erste Ratsversammlung der Schiedsherrinnen, auf der die Gesetze verabschiedet wurden, nach denen wir uns heute noch richten. Fehden wurden verboten, der Handel gefördert und regelmäßige Ratsversammlungen eingeführt.
    Um den Frieden im Tal zu festigen, ehelichten die zwölf jungen Witwen passende Männer aus anderen Häusern, die damit die neuen Familienoberhäupter wurden. Was Sven und die anderen Helden von diesen Neuerungen gehalten hätten, konnte nie abschließend geklärt werden, aber die Maßnahmen erfüllten ihren Zweck. Innerhalb von zwei Generationen wurden die letzten Fehden beigelegt und Schwerter überall im Tal geächtet.
    Im Nu hatte Hal das Schwert aufgehoben, im Handumdrehen war er über die Mauer geklettert und auf den dahinter verlaufenden Feldweg hinuntergesprungen. Hier hüllte die beiden wieder dichter Nebel ein.Vom Feld her hörte Hal Ragnars schrilles Gejammer, untermalt von zornigen Rufen in einer tieferen Tonlage. Hal und Aud machten sich an den Aufstieg. Sie kamen nicht besonders schnell voran, denn Hal war von der Verfolgungsjagd außer Atem, und ein wenig schwindlig war ihm auch. Aud trabte humpelnd neben ihm her.
    »Was... machst du eigentlich hier?«, schnaufte Hal.
    »Spar dir die Puste.«
    »Kehr... kehr wieder um.«
    »Halt die Klappe.«
    »Du... du hast hier nichts zu suchen. Ich hab dir doch gesagt... du sollst... im Haus bleiben...«
    »Ich soll bei Leif und den ganzen anderen Dummköpfen hocken, während du allein hier hochrennst, um uns zu retten? Nein danke.« Ihr Ton war schneidend. »Lieber sterbe ich.«
    »Aber die Trolde...«
    »Ich lass es drauf ankommen.«
    »Dein Fuß...«
    »Der wird schon durchhalten.«
    Hal biss sich auf die Lippe. Er setzte zwar sein eigenes Leben gerade bewusst aufs Spiel, aber daran durfte Aud sich auf keinen Fall ein Beispiel nehmen. Am liebsten wäre er stehen geblieben und hätte ihr tüchtig den Kopf gewaschen, aber es scharrte und schepperte schon auf der Mauer, und man hörte die Männer schwerfällig hinunterspringen, darum sagte er nur: »Bitte, Aud! Das ist meine Angelegenheit, nicht deine!« Er wartete ab. Aud schwieg eisern. »Verstehst du denn nicht?«, fragte Hal mit belegter Stimme. »Ich muss es allein tun. Es ist mein Schicksal, aber nicht deines.«
    Verächtliches Schnauben.
    »Ich will nicht, dass du dabei bist, wenn mich die Trolde holen.«
    »Dein Pech.«
    »Ich... ich will nicht, dass du auch noch stirbst.«
    Sie packte ihn unsanft am Arm und fauchte: »Dann sieh eben zu, dass wir beide heil aus der Geschichte rauskommen!«
    Sie stiegen höher in den weißen Dunst hinauf. Mit einem Mal erlosch das letzte matte Licht, das bis dahin den Nebel erhellt hatte.Wolken hatten den Mond verschluckt. Sie erreichten den Rand des Pfades und tasteten sich immer an der Mauer entlang. Klamme Schwaden streiften ihre Haut.
    »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«, fragte Hal außer Atem.
    »Ich hab mir schon gedacht, dass du hier lang läufst. Es ist der schnellste Weg. Darum habe ich mich zum Südtor rausgeschlichen und bin ungefähr in die Richtung losmarschiert. Erst war ich zu weit oben, aber dann habe ich dich schnaufen und keuchen hören und bin wieder bergab gelaufen. Da – hörst du das?«
    Ein Stück bergab schallte es wie Wolfsgeheul durch die Nacht: »Hal! An deinen Händen klebt das Blut meines Sohnes! Ich werde nicht eher ruhen, bis ich dich gefunden habe!«
    »Dann such mal schön!«, antwortete Hal leise. »Aber lass dir ruhig noch ein bisschen Zeit.«
    »Wenn ich mir vorstelle, dass ich Ragnar beinahe hätte heiraten müssen!«, sagte Aud verächtlich. »Sein Schwerthieb war wie der von einem Mädchen. Glaubst du, du hast ihn umgebracht?«
    »Höchstens ein bisschen angepikt.«

    Mit blutüberströmtem, lahm herabhängendem Arm schleppte sich Ragnar Hakonsson hinter seinem Vater bergauf, gefolgt von drei weiteren Kämpfern. Der Mond war verschwunden, im Nebel war es stockfinster. Wie Blinde tappten sie den Hang hinauf, getrieben vom Rachedurst

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