Vampire Academy 03 ● Schattenträume
Russisch geführt.
„Was ist los?”, fragte ich, als er fertig war.
„Ich werde es Sie bald wissen lassen. Für den Augenblick müssen wir abwarten.”
„Klasse. Meine Lieblingsbeschäftigung.” Er zog einen Sessel heran und nahm mir gegenüber Platz. Der Sessel wirkte zu klein für jemanden, der so groß war wie Dimitri, aber wie immer gelang es ihm trotzdem, auf gewisse Weise elegant zu wirken.
Neben mir lag einer der Westernromane, die er immer mit sich herumtrug. Ich griff danach und dachte einmal mehr darüber nach, wie einsam er sein musste. Selbst jetzt, bei Hof, hatte er es vorgezogen, in seinem Zimmer zu bleiben. „Warum lesen Sie diese Dinger?”
„Manche Leute lesen Bücher zum Vergnügen”, bemerkte er.
„Hey, keine Unterstellungen bitte. Und ich lese sehr wohl Bücher. Ich lese sie, um Rätsel zu lösen, die das Leben und die geistige Gesundheit meiner besten Freundin bedrohen. Ich denke nicht, dass dieser Cowboykram wirklich die Welt rettet.... wie ich es tue.”
Er nahm mir das Buch ab und legte es mit dem Titel nach unten wieder hin. Sein Gesichtsausdruck war nachdenklich und nicht so eindringlich wie sonst. „Wie jedes Buch ist es eine Flucht. Und da ist etwas.... hmmm. Ich weiß nicht. Etwas, das mir am Wilden Westen gefällt. Keine Regeln. Jeder lebt einfach nach seinem eigenen Kodex. Man braucht sich nicht mit den Vorstellungen anderer über Recht und Unrecht zu belasten, um für Gerechtigkeit zu sorgen.”
„Moment mal”, lachte ich. „Ich dachte, ich sei diejenige, die die Regeln brechen wollte.”
„Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich es will. Nur dass es von einer gewissen Anziehungskraft ist.”
„Mich können Sie nicht täuschen, Kamerad. Sie wollen einen Cowboyhut aufsetzen und gesetzlose Bankräuber in Schach halten.”
„Keine Zeit. Ich habe schon genug Mühe, Sie in Schach zu halten.” Ich grinste, und plötzlich war es ganz so wie an dem Tag, an dem wir die Kirche aufgeräumt hatten - zumindest bis zu dem Streit. Einfach.
Behaglich. Tatsächlich war es wie in alten Zeiten, als wir mit dem gemeinsamen Training begonnen hatten, damals, bevor alles so kompliziert geworden war. Hm, okay.... die Dinge waren immer kompliziert gewesen, aber für eine Weile waren sie eben auch mal etwas weniger kompliziert gewesen. Es machte mich traurig. Ich wünschte, wir könnten diese frühen Tage noch einmal durchleben. Es hatte keinen Victor Dashkov gegeben, und ich hatte kein Blut an den Händen gehabt.
„Es tut mir leid”, sagte Dimitri plötzlich.
„Was? Dass Sie kitschige Romane lesen?”
„Dass ich nicht in der Lage war, euch hierher zu bekommen. Ich habe das Gefühl, als hätte ich Sie im Stich gelassen.” Ich erblickte einen Schatten von Sorge auf seinem Gesicht: als überlegte er, ob er vielleicht einen irreparablen Schaden verursacht hatte. Die Entschuldigung erwischte mich vollkommen unvorbereitet.
Einen Moment lang fragte ich mich, ob er genau wie Christian eifersüchtig auf Adrian und dessen Einfluss war. Dann wurde mir klar, dass es etwas vollkommen anderes sein musste. Ich hatte Dimitri schwer zugesetzt, weil ich davon überzeugt gewesen war, dass er alles zuwege bringen konnte. Irgendwo - tief im Innern - empfand er genauso, zumindest soweit es mich betraf. Er wollte mir nichts abschlagen. Meine frühere Übellaunigkeit war schon lange verschwunden, und plötzlich fühlte ich mich einfach nur leer. Und dumm.
„Das haben Sie nicht getan”, erwiderte ich. „Ich habe mich wie ein richtiges Balg benommen. Sie haben mich noch nie zuvor enttäuscht. Sie haben mich auch in dieser Sache nicht enttäuscht.”
Sein dankbarer Blick gab mir das Gefühl, Flügel zu besitzen. Wenn noch ein Augenblick verstrichen wäre, vermute ich, hätte er etwas so Liebenswertes gesagt, dass ich geradezu davongeflogen wäre. Stattdessen klingelte sein Telefon. Ein weiteres auf Russisch geführtes Gespräch fand statt, dann stand er auf. „Also schön, gehen wir.”
„Wohin?”
„Zu Victor Dashkov.”
Es stellte sich heraus, dass Dimitri einen Freund hatte, der einen Freund hatte, und irgendwie gelang es uns trotz der besten Sicherheitsvorkehrungen, die in der Moroi-Welt herrschten, in die Gefängniseinrichtungen des Königshofes vorzustoßen.
„Warum tun wir das?”, flüsterte ich, als wir auf dem Weg zu Victors Zelle den Flur entlanggingen. Ich hatte wirklich sehr auf düstere Mauern und Fackeln gehofft, aber alles wirkte ganz modern und effizient, mit
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