Vampire bevorzugt
mich gestern miserabel benommen«, sagte er. »Ich muss dir ja nicht sagen warum.«
»Na, besser doch«, erwiderte ich verwirrt. »Denn das habe ich überhaupt nicht verstanden.«
»Du weißt, dass du dich immer auf mich verlassen kannst.«
Wenn's darum geht, wütend auf mich zu werden? Oder sich danach zu entschuldigen? »Du hast mich in letzter Zeit ganz schön genervt«, sagte ich. »Aber du bist schon seit Jahren ein Freund, und ich habe eine sehr hohe Meinung von dir.« Das klang ziemlich gestelzt, also versuchte ich zu lächeln. Er lächelte zurück, ein Regentropfen fiel von der Kapuze direkt auf meine Nase, und der Moment war vorüber. »Was meinst du, wann kommst du wieder in die Bar?«
»Ich werde es morgen für eine Weile versuchen. Zumindest kann ich im Büro sitzen und an den Büchern arbeiten, ein bisschen Papierkram erledigen.«
»Bis dann.«
»Klar.«
Als ich zurück zu meinem Auto eilte, war mein Herz sehr viel leichter als zuvor. Mit Sam zerstritten zu sein, das hatte sich ganz falsch angefühlt. Aber ich hatte mir nicht klar gemacht, wie stark all meine Gedanken von diesem Gefühl eingetrübt gewesen waren, bis ich mich wieder mit ihm vertragen hatte.
Kapitel 5
Es regnete in Strömen, als wir auf den Parkplatz des Krankenhauses in Grainger fuhren. Es war genauso klein wie das in Clarice, in das die meisten Leute aus dem Landkreis eingeliefert wurden. Doch das Krankenhaus in Grainger war neuer und besser ausgestattet mit modernen Diagnosegeräten.
Ich hatte mich umgezogen und trug jetzt Jeans und Pullover, aber auf mein gefüttertes Regencape hatte ich nicht verzichten wollen. Als Jason und ich auf die gläsernen Schiebetüren zueilten, klopfte ich mir innerlich auf die Schulter, weil ich Stiefel trug. Sehr weise angesichts dieses Wetters, das sich am Abend als ebenso schrecklich erwies wie am Morgen.
Das Krankenhaus war voller aufgebrachter Gestaltwandler. Ich fühlte ihren Zorn, sobald ich drin war. Zwei der Werpanther aus Hotshot waren in der Lobby; ich glaube, sie spielten so eine Art Wächter. Jason ging zu ihnen hinüber und ergriff fest ihre Hände. Vielleicht ein geheimes Begrüßungsritual oder so was, keine Ahnung. Wenigstens rieben sie nicht ihre Beine aneinander. Sie schienen nicht halb so froh darüber, Jason zu sehen wie umgekehrt, und ich bemerkte, dass Jason mit einem leichten Stirnrunzeln einen Schritt zurücktrat. Die beiden blickten mich aufmerksam an. Der Mann war mittelgroß und untersetzt und hatte dichtes hellbraunes Haar. Die Neugier stand ihm in den Augen.
»Sook, das ist Dixon Mayhew«, sagte Jason. »Und das ist Dixie Mayhew, seine Zwillingsschwester.« Dixie trug ihr Haar, das dieselbe Farbe hatte wie das ihres Bruders, fast ebenso kurz wie er, aber sie hatte dunkle, fast schwarze Augen. Eineiige Zwillinge waren sie sicher nicht.
»Alles ruhig hier?«, fragte ich vorsichtig.
»Keine Probleme bislang«, sagte Dixie leise. Dixons Blick ruhte fest auf Jason. »Wie geht es Ihrem Boss?«
»Er trägt einen Gips, aber er wird wieder gesund.«
»Calvin ist schwer verletzt.« Dixie beäugte mich einen Augenblick. »Er liegt oben, in Zimmer 214.«
Da wir ihre Billigung erhalten hatten, gingen Jason und ich zur Treppe. Die Zwillinge beobachteten uns auf unserem ganzen Weg. Wir kamen an einer überaus rosig und gesund aussehenden Krankenschwester vorbei, die am Empfang Dienst tat. Trotzdem machte ich mir jetzt schon Sorgen um sie: weißes Haar, dicke Brillengläser und ein liebenswürdiges Gesicht mit enorm vielen Falten. Ich konnte nur hoffen, dass während ihres Dienstes nichts passieren würde, was ihre Sicht der Welt aus den Fugen geraten ließe.
Es war ganz leicht, Calvins Zimmer zu finden. Ein Muskelpaket lehnte neben der Tür an der Wand, ein tonnenförmiger Mann, den ich noch nie gesehen hatte. Ein Werwolf. Werwölfe gaben gute Bodyguards ab nach allgemeiner Auffassung der zweigestaltigen Geschöpfe, denn sie waren rücksichtslos und zäh. Meiner Erfahrung nach ist das bloß das Image des bösen Buben, das die Werwölfe nun mal haben. Aber es stimmt schon, in der Regel sind sie die härtesten Wesen unter den Zweigestaltigen. Unter Ärzten finden sich - zum Beispiel nicht allzu viele Werwölfe, dafür aber in allen Berufen der Bauindustrie. In Jobs, die mit Motorrädern zu tun haben, sind Werwölfe auch stark vertreten. Einige dieser Gangs tun in Vollmondnächten mehr als nur Bier trinken.
Die Anwesenheit eines Werwolfs beunruhigte mich. Ich war
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