Vampirnacht
inne, blickte zu der schimmernden Sichel empor und sog ihre Energie in sich auf. Ich tippte sie auf die Schulter, und sie nickte und lief weiter. Sie folgte Delilah und mir hinters Haus, wo sich Iris’ Wohnwagen als ungewohnte Silhouette vor dem dunklen Himmel abhob.
Aeval und Ivana standen sich gegenüber. Es war kein einziges Irrlicht mehr zu sehen. Die beiden starrten einander an, und Feindseligkeit troff ihnen aus allen Poren, so dick wie der Gestank von faulen Eiern.
»Ihr habt also mit den Alten Feen zu schaffen?«, fragte Aeval vorwurfsvoll Camille. Ich hatte das Gefühl, dass meine Schwester wegen meiner Entscheidung gewaltigen Ärger bekommen könnte, also meldete ich mich gleich zu Wort.
»Nein, Camille nicht. Das war allein meine Idee. Wir brauchten Hilfe, und mir ist niemand anders eingefallen.« Ich warf Ivana einen Blick zu. »Ich danke euch beiden, wir stehen in eurer Sch…« Ich verstummte abrupt. Das Wort »Schuld« durfte ich in Anwesenheit dieser beiden auf keinen Fall benutzen. Schon »Wir sind euch was schuldig« wäre ein schwerer Fehler gewesen. »Wir danken euch beiden sehr für eure Hilfe.«
Ivana lachte. »Liebes Mädchen, du kennst die Überlieferungen, aber nicht gut genug.« Sie wandte sich Aeval zu. »Also haben Nacht und Morgen ihre Höfe wieder aufgebaut und sich obendrein mit dem Mantel der Dämmerung geschmückt. Welche Jahreszeit soll sie regieren? Nicht Sommer, nicht Winter – die gehören dir und Titania. Aber die
andere
… Sie ist nicht wahrhaftig eine Fee. Nicht reinblütig. Ihr macht einen schweren Fehler, und das wisst ihr auch.«
Aeval musterte Ivana eindringlich. »Wir sind auf unseren Thron zurückgekehrt, so ist es. Die Feenköniginnen haben ihre Macht wiedererlangt, und wir werden unsere frühere Pracht noch übertreffen. Wir errichten ein Imperium. Die Dämmerung … sie dient einem Zweck. Vorerst. Also sind wir der Hof der Drei Königinnen. Camille studiert bei uns und bringt der Erdwelt die Anderwelt zurück.« Sie wandte sich meiner Schwester zu. »Du bist unsere Hoffnung auf die Zukunft.«
Die Alte Fee seufzte tief. »Es gibt keine Hoffnung für die Zukunft. Die alten Zeiten sind längst vorbei. Die Menschen und Sterblichen haben unsere Haine gerodet und huldigen uns nicht mehr. Sie fürchten uns nicht länger.«
Lachend schüttelte Aeval den Kopf. »Dich würden sie fürchten, Maid von Karask, wenn sie wüssten, dass es dich wirklich gibt. Und der Tag wird kommen, da sie unsere Macht wiedererkennen. Doch eine große Finsternis bedroht uns alle, und diese Gefahr müssen wir zuerst ausschalten. Ich werde dich heute nicht töten, Alte Fee. Stattdessen gebe ich dir einen Rat: Geh zu deinen Brüdern und Schwestern und warne sie. Sie müssen sich auf einen Krieg vorbereiten. Denn der Krieg wird kommen, ob in diese Welt oder die Anderwelt. Wenn wir noch in eine Zukunft blicken wollen, müssen wir alle gemeinsam gegen die Finsternis kämpfen, die sie mit ihrem Feuer verschlingen will.«
Ivana musterte sie schweigend, und ich hatte das Gefühl, dass die beiden Mächte sich wortlos austauschten.
Einige Augenblicke später neigte Ivana den Kopf. »Möge unsere persönliche Fehde vorerst ruhen.« Sie wandte sich mir zu. »Totes Mädchen, du hast mir viel vorenthalten. Ich werde dir nie verzeihen, dass du mir mein helles Fleisch nicht geben willst, aber ich stehe dir zu Diensten, wenn du wieder einen Handel schließen musst. Wenn eure Gespenster euch nachts wach halten, kennst du ja meine Nummer.«
Damit warf sie sich den Müllsack mit dem Ferkel über die Schulter und verschwand in der Dunkelheit. Aeval sah ihr nach.
»Die Alten Feen waren schon uralt, als ich noch sehr jung war. Sie sind das Rückgrat dieser Welt. Sie leben in den Zeitaltern der Schnitter, der Ewigen Alten und Elementarfürsten.« Sie holte scharf Luft. »Die Dämonen ziehen in den Kampf. Ich weiß, dass sie Asteria bedrohen, aber mein Volk kann kaum etwas für sie tun. Stattdessen bereiten wir uns vor. Wir trainieren, denn der Krieg wird kommen. Erwartet aber nicht den Lärm von Waffen und großen Horden … nein, der Krieg schleicht sich lautlos heran, infiltriert die Welt Stückchen für Stückchen. Schattenschwinge ist nicht dumm … Wie alle Dämonen versucht er, zu verführen und Verbündete zu gewinnen. Gibt es eine einfachere Möglichkeit, die Macht an sich zu reißen, als zu teilen und zu herrschen?«
Camille schaute zum Mond hinauf. »Asteria hat erwähnt, dass die
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