Vampirnacht
ich habe Appetit auf Quieker. Ja, ein kleines Grunzeferkelchen, wenn wir ins Geschäft kommen wollen. Aber sag mir erst, wogegen du es tauschst.«
Ich hätte schwören können, dass ich einen schrillen Schrei im Hintergrund gehört hatte. Ich fragte nicht, wer – oder was – da bei ihr war, erst recht nicht, weil sie kicherte.
»Kannst du Irrlichter ausschalten? Und wir haben vielleicht noch ein paar Geister für deinen Garten.« Ich achtete sehr sorgfältig auf meine Wortwahl. Alte Feen waren schlimmer als Dschinns, wenn es darum ging, einem das Wort im Munde herumzudrehen.
Ivana zögerte, und ich konnte die gemeinen kleinen Rädchen in ihrem Kopf beinahe rattern hören. Dann sagte sie: »Ja. Ich kann die Kadaverkerzen einsaugen und durch die Zähne wieder ausspucken. Sie fürchten weder Junge noch Alte Fee, aber Ivana weiß mit ihnen umzugehen. Verflixte, lästige kleine Biester. Manchmal wagen sie sich sogar in meinen Garten, und wenn mir nicht danach ist, sie zu erledigen, verscheuche ich sie.«
»Du kannst sie also erledigen? Wir haben den Garten voller Irrlichter und müssen sie von unserem Grundstück schaffen.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ich musste mich beeilen. Also steckte ich das Handy in die Station, stellte auf Lautsprecher und fuhr vom Parkplatz.
Ivana schnaubte. »Ich kann sie erledigen. Ein Quiekerbaby, klein und dick, roh und saftig.«
Ich stöhnte. Wo zum Teufel sollte ich um diese Uhrzeit ein Ferkel herbekommen? Aber wir brauchten ihre Hilfe. »Schön, abgemacht. Wir treffen uns in zwei Stunden vor unserem Grundstück. Das ist …«
»Oh, ich weiß, wo ihr wohnt, totes Mädchen. Glaub mir, ich weiß alles über dich und deine Schwestern. Der Handel ist vorläufig vereinbart. Aber gültig wird er erst, wenn wir uns die Hand darauf geben.« Dann war das Telefon tot.
»Telefon aus«, befahl ich.
Es beunruhigte mich, dass sie wusste, wo wir wohnten.
Ich starrte auf die Straße vor mir. Wo zum Teufel sollte ich ein Ferkel hernehmen? Ich musste es bereithalten, wenn sie erschien. Und dann fiel mir etwas ein. Einer unserer Bekannten, ein Werwolf, hielt Schweine und Schafe. Es war spät – viel zu spät für einen Höflichkeitsbesuch, aber ich konnte nicht warten. Ich starrte mein Handy an und überlegte, ob ich ihn erst anrufen sollte. Aber dann wäre Frank vorgewarnt. Ich wollte ihm keine Gelegenheit geben, mir zu verbieten, bei ihm vorbeizuschauen. Werwesen und Vampire waren nicht immer die besten Freunde, doch wir bemühten uns, die alten Animositäten zu begraben.
Ich rief Frank in meinen Kontakten auf und sah nach seiner Adresse. Er wohnte etwa zwanzig Minuten außerhalb von Seattle, und mitten in der Nacht konnte ich es dorthin und dann nach Hause schaffen, ehe Ivana kam.
In solchen Augenblicken vermisste ich es, richtig tief seufzen zu können. Es hatte etwas so Befriedigendes, schnaufend auszuatmen. Na ja, ich konnte das schon, aber nur mit konzentrierter Absicht, nicht einfach so, und dann konnte ich es mir auch gleich sparen.
Das fehlte mir genauso, wie irgendein Geräusch zu machen, wenn ich mich bewegte. Deshalb trug ich die Elfenbeinperlen im Haar – sie klapperten leise und erinnerten mich daran, dass ich noch lebendig war. Hohe Absätze, die auf dem Boden klapperten, halfen auch. Das Dasein als Vampir war mit einer unheimlichen Stille verbunden. Kein Atem strömte ein und aus, kein Herz schlug. Nachdem ich gestorben und verwandelt worden war, wurde mir erst bewusst, wie viele Geräusche ein lebender Körper macht – Laute, die ich nie bemerkt, sondern als selbstverständlich hingenommen hatte. Als Vampirin waren sämtliche Laute des Lebens in mir verstummt. Wir hatten zwar Blut in den Adern, aber es bewegte sich sehr langsam, lautlos, auf magische Weise.
Als ich auf die Einfahrt zum Freeway abbog, warf ich einen Blick auf die Uhr. Halb neun. Hoffentlich war Frank noch wach. Sein Tagesablauf war der eines Bauern – früh ins Bett und früh heraus. Das wusste ich, weil wir von ihm und ein paar anderen Farmen in der Umgebung mein Blut in Flaschen kauften. Manchmal fuhr ich anstelle meiner Schwestern hier raus, um Blut, Fleisch und Eier zu holen. Meist kam ich gegen fünf Uhr früh bei ihm an, und er war immer schon auf, hatte gefrühstückt und trank noch einen Kaffee.
Wenn er schlachtete, blutete er das Fleisch vorher aus, pasteurisierte das Blut und lagerte es im Kühlschrank. Es brachte ihm ein paar zusätzliche Dollar ein und lieferte mir die nötige
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