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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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nachzusehen.
    Wilfried konnte und durfte aber nichts dem Zufall überlassen. Für die Busverbindungen im Bezirk Leipzig gab es einen bezirklichen Fahrplan, der aber nur im jeweiligen Bezirk selbst an den Auskunftsstellen für die örtlichen Busbahnhöfe erhältlich war.

    „Für ´n Bezirk Leipzig? Ham wa hier nich´!“ war die unfreundliche Auskunft am Busbahnhof.
    „Fahr´n Se nach Leipzsch, da könn´ Se nachguck´n!“
    Wilfried schluckte zwar, doch als DDR-Bürger war man dergleichen gewöhnt und hart im Nehmen.
    Blieb wieder nur die Stadtbibliothek. Tatsächlich standen dort die Kursbücher mit den Busfahrplänen aller 15 Bezirke der DDR fein säuberlich nebeneinander im Regal, dazu noch frei von Fettfingern und Eselsohren. Was wollte man mehr?
    Die Buslinie Torgau - Neiden wies tatsächlich eine Haltestelle namens „Abzweig Objekt“ aus.
    Offenbar war man der Meinung, der Klassenfeind würde bei seiner subversiven Aufklärungstätigkeit wohl nicht in den Busfahrplänen recherchieren.
     
    „Eine unbekannte Kaserne - war das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht?“ überlegte er. Immerhin wurde ihm das „Privileg“ zuteil, individuell anreisen zu dürfen, er mußte sich nicht zu einem Sammeltransport begeben, der nach manchen Berichten anderer Soldaten den ganzen Tag lang Wehrpflichtige einsammelte und womöglich noch mehrfach an demselben Bahnhof vorbeifuhr.
    Ob man ihm als Abiturienten gar mehr Disziplin zutraute, pünktlich zu sein?
    Einen Augenblick lang bedauerte es Wilfried, nicht zu derselben Begeisterung wie Dieter Nolls „Werner Holt“ fähig zu sein, als dieser seinen lang ersehnten Einberufungsbefehl zur Wehrmacht erhalten hatte.
    Gleich darauf aber war er wieder froh über seine eigene, schon recht lang anhaltende miese Stimmung, denn sie verringerte in ganz erheblichem Maße seine psychische Verletzbarkeit durch die nun kommenden Beschwernisse.
    Den im Roman dargestellten Lernprozeß des Werner Holt bezüglich Wehrmacht und Krieg brauchte er nicht erst zu durchlaufen.
    -
    6. Das Ingenieurbauregiment-12
    „Jeder Tag bringt dich deinem Studium näher!“
    Mit diesen Worten verabschiedete ihn die Mutter. Wilfried hörte zwar, nahm aber kaum noch etwas wahr. Bisher waren bei jeglichem Aufbruch ins Unbekannte, Ferienreise wie neuer Lebensabschnitt in neuer Schule, ausgenommen natürlich das GST-Lager, Bangigkeit und Neugier auf das Kommende gleich verteilt gewesen. Jetzt hingegen herrschte bei Wilfried die Gleichverteilung von Widerwillen und Übelkeit.
    Die Reisetasche in der Hand, sie war nicht schwarz, wie sie Gerüchten zufolge hätte sein müssen, gepackt mit einigen Habseligkeiten, darunter drei Büchern, eines davon mit amerikanischen Science - fiction - Stories im englischen Original, herausgegeben aber vom sowjetischen Progress -Verlag, welcher das Buch automatisch mit dem Stempel „Erlaubte Literatur“ versah, einem batteriegetriebenen Rasierapparat mit Rotor-System aus der Tschechoslowakei, der, so hoffte Wilfried, ihn zuverlässig vor der Anwendung von Rasierklingen schützen würde, auch im Felde, zugleich das einzig seiner Haut zuträgliche Rotorsystem und nicht etwa den fürchterlichen Schwingkopf eines „Bebo - sher“ besaß und mit dem er sich nicht dem Verdacht aussetzte, mit dem Klassenfeind zu paktieren, wie es wohl sein würde, hätte er seinen Philips - Rasierapparat mitgenommen, trottete Wilfried die Straße entlang zum Hauptbahnhof der Stadt. Oder befand er sich doch noch auf der Treppe in seinem Wohnblock? Oder gar noch in seinem Zimmer?
    Der Himmel blieb grau an diesem Novembermorgen, als Wilfrieds Schritte nun einen leichten Widerhall auf dem Pflaster des Bürgersteiges der Straße erzeugten, die zum Hauptbahnhof führte. Durfte er den Bürgersteig überhaupt noch betreten? War selbiger nicht nur für den Bürger vorgesehen, der er ja nun nicht mehr war. Bürgerliche Rechte und Freiheiten - hatte man die überhaupt in diesem Staat?
    Die wenigen, die der „Bürger“ tatsächlich besaß, für Wilfried waren sie seit vorgestern noch weiter zusammengeschnurrt. War es da nicht auch möglich, daß man ihm jetzt das Betreten des Bürgersteiges untersagen konnte?
    Einmal hatte der Vater berichtet, daß er sich noch lange nach Kriegsende und seiner Entlassung aus dem Kriegsgefangenenlager immer wieder dabei ertappt hatte, auf der Fahrbahn zu gehen und nicht auf dem Trottoir.
    Marschieren in Marschordnung - würden die Befehle und Kommandos je ihren Widerhall

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