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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Stein, um dieses sonderbare Heiligtum aus grauer Vorzeit genauer zu betrachten.
    »Bestimmt kennen Sie die ganzen Geschichten, wie Zeus oder Jupiter junge Mädchen geschändet und hier, dort und überall Halbgötter gezeugt haben. Das wird nie hinterfragt. Niemand spricht den Herr des Himmels auf sein ... lüsternes Verhalten an. Aber es ist interessant, dass Enlil in dem einzigen vergleichbaren Mythos, den wir aus Sumer kennen, auf ein junges Mädchen trifft, das in einem Fluss badet ... er treibt Notzucht mit ihr ...«
    Lady Cypher wirft ihm einen sonderbaren, scharfen Blick zu, als flamme flüchtig ein Bewusstsein unter der Oberfläche der Sim auf und fände etwas an der obszönen Beschönigung geschmacklos. Dessen ungeachtet, fährt er fort.
    »Nun, Enlil wird alsbald vor den Rat der Götter gerufen, angeklagt gewissermaßen, und verstoßen, seines Throns beraubt ... sogar der Hölle ausgeliefert.«
     
    »Es ist wirklich erstaunlich, wenn man sich vorstellt, dass die Sumerer ein Jahrtausend vor den Athenern über eine Demokratie verfügten, nicht nur im Sinne des Ältestenrats in den Stadtstaaten, sondern sogar unter den Göttern. Selbst der Herr des Himmels stand nicht über dem Gesetz. Er konnte angeklagt, für seine Verbrechen vor Gericht gestellt und bestraft werden. Natürlich findet er im Mythos schließlich jemanden, der in der Hölle seinen Platz einnimmt, aber ...«
    Lady Cypher, Ninschubur, hört ihm nicht zu. Unter ihrer glatten Oberfläche tanzen Neurotransmitter virtuelle Pfade entlang, die einem Muster folgen, das älter als die Steine ist, die der virtuelle Raum um sie herum simuliert.
    »... fast vollständig vom Monotheismus verdrängt werden würde, ist wirklich paradox. Und doch, trotz all der Bilderstürmerei der jüdisch-christlichen Tradition und des Islam ...« In ihrem Kopf erreicht ein drei Tage währender Countdown von Tausendstelsekunden die Null, und ein Symbol, ein Zeichen, ein Mal, das tief in ihren Archiven verborgen ist, wird aktiviert, ein Fenster öffnet sich, ein Fenster, das auf die Ewigkeit hinausgeht.
    »... wenn wir Enlils Gesicht mit seinem langen gelockten Bart und dem durchdringenden Blick betrachten, können wir nicht anders, er erinnert uns an den Gott, den wir so gut ...«
    Und Ninschubur bricht in Wehklagen aus.
     
     
    Ninschuburs Klagelied
     
    »O Vater Ilil, rief Ninschubur, niemand soll deine Tochter in der Unterwelt töten, dein schweres Silber soll niemand mit dem Staub der Unterwelt bedecken, dein kostbares Lapislazuli soll niemand zusammen mit den Steinen des Steinarbeiters zerschlagen, dein Zedernholz soll niemand zusammen mit dem Holz der Tischler spalten. Die Herrin des Himmels, die heilige Priesterin der Erde, soll nicht in Kur getötet werden.«
    Die Worte prägen sich Phreedoms Leib und Gedächtnis ein wie ein Lied, das auf einen Datenstick geladen wird. Als würde man eine CD brennen, denkt sie, eine Datei auslesen ... eine Seele prägen. Sie spürt, wie ihr altes Ich überschrieben wird, ihre Erinnerungen werden ... neu verteilt, archiviert, neu zugewiesen. Als Programmiererin versteht sie, was mit ihr geschieht, doch an sich hat sie so etwas Seltsames noch nie erlebt.
    Aber auf diesem Wege ist Thomas aus dieser Welt hinaus und ins Vellum gelangt. Wenn sie ihm folgen will, muss sie sterben. Sie muss aus der Geschichte hinausgeschrieben werden und in den Mythos hinein.
    Die Nadel sticht tief in ihre Haut und in die Haut der Welt. Sie zuckt zusammen, und eine Schockwelle rast um die Welt.
     
    Arecibo, Puerto Rico.
    Papa Eli hält das Mädchen fest, zwingt ihr die Hand zwischen die Zähne, während sie sich sträubt und windet, schreit, nach ihm schlägt, die Fingernägel in ihr weißes Leinenkleid krallt, in die Haut, und ihre Augen rollen nach oben. Der Abiku , der von ihr Besitz ergriffen hat, kreischt wutentbrannt, als sie ihren Kopf zur Seite reißt, den Mund freibekommt, um Geister mit Namen anzurufen, die er nicht kennt, nicht Chungo oder Ellegua, nicht Oggun oder Yemaya – keine der Orisha, welche die Brujos anrufen, seit ihre Vorfahren – die Joruba – einst als Sklaven hierher gebracht wurden.
    »Ilil«, schreit sie. »Sin! Enki!«
    Die anderen Santeros des Asiento stehen hinter ihm, die Trommeln sind vergessen, der Gesang ist verstummt – sie fürchten dieses Mädchen. Wie ein Pferd wird sie von etwas geritten, das weit düsterer ist als jeder Geist der Santería, eine Kreatur aus der anderen Welt, die nur ihren Zorn und

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