Venezianische Verlobung
einen anderen zu verdächtigen, der wiederum ihn selber verdächtigt hatte – ihn, der wiederum …
«Nur dass der Verdacht, den Gutiérrez hatte, offenbar begründet gewesen ist», unterbrach Maximilian Trons Ge dankengang. «Wir jedenfalls haben unsere Einschätzung des Falles gründlich revidiert.» Der Erzherzog deutete auf zwei schmale Aktenkonvolute, die auf dem Tisch lagen. «Auszü ge aus zwei Dossiers», sagte er knapp. «Eins über Pater Calderón. Und eins über Pucci.»
Plötzlich wusste Tron, was jetzt kam.
«Die beiden kannten sich», sagte Maximilian. «Und zwar gut. Haben in Rom am selben Tag zusammen das Priester gelübde abgelegt. Offenbar ist die Verbindung nie abgebrochen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Pucci mit Schimpf und Schande aus seinem Priesteramt verjagt wurde.»
Tron beugte sich über den Tisch. «Woraus schließen Hoheit das?»
Jetzt schaltete sich Beust ein. «Als Pater Calderón, bevor er ins Danieli zog, inkognito in Venedig war, um einer angeblichen Verbindung zwischen Gutiérrez und den Juaristas nachzugehen, hat er Puccis Wohnung benutzt.»
«Das Atelier am Campo San Barnaba?»
Beust schüttelte den Kopf. «Pucci besaß noch eine Wohnung in Canareggio. Unter dieser Adresse ist Pater Calderón für Bischof Labattista erreichbar gewesen. Und wir glauben, dass der Pater bereits im Sommer dieses Jahres Kontakt mit Pucci gehabt hat.»
Tron nickte. «Etwas in der Richtung hatte mein Sergente bereits vermutet.»
Maximilian sah Tron aufmerksam an. «Was genau hat Ihr Sergente vermutet?»
«Dass Pucci und Pater Calderón sich kannten. Dass Pucci die Photographien an Pater Calderón verkauft hat.» Tron seufzte. «Und dass Pater Calderón sowohl Anna Slataper als auch Pucci getötet hat.»
«Volltreffer», sagte der Erzherzog.
«Was ist mit dem Mord an Signora Saviotti?»
Wieder schaltete sich Beust in das Gespräch ein. «Es gab irgendetwas in der Wohnung von Anna Slataper», sagte er in seiner ruhigen Art, «das einen Hinweis auf den Mörder enthielt. Eine Spur, die Pater Calderón beseitigen wollte.»
«Wobei er auf Signora Saviotti traf», sagte Tron. «Was für eine Spur könnte das gewesen sein?»
«Ich weiß es nicht», meinte Beust. «Calderón könnte es – was immer es ist – mitgenommen oder auch nicht gefunden haben.»
«Und die Schrift an der Wand, die Pucci mit letzten Kräften gemalt hat? Was hat die zu bedeuten?» Tron hielt es für klüger, das Buch Daniel nicht zu erwähnen.
«Die Schrift stammt von Pater Calderón», sagte Beust.
«Er ist davon ausgegangen, dass die Dechiffrierung erheblichen Scharfsinn erfordern würde.» Der Kapitänleutnant warf einen respektvollen Blick auf den Erzherzog. «Und ebendeshalb eine überzeugende falsche Spur legen würde.»
Tron nickte anerkennend: «Raffiniert ausgedacht. Wir sollen Gutiérrez für den Täter halten. Damit wären die Ermittlungen beendet, weil der Botschafter diplomatische Immunität genießt.»
«Calderón hat nicht damit gerechnet», sagte Beust, «dass Gutiérrez über ihn und Pucci in Rom Erkundigungen einziehen würde.»
Tron sagte: «Die Gutiérrez Montagabend erreicht haben.»
Beust nickte. «Gutiérrez wusste also, dass Pater Calderón die Photographien hatte.»
Tron dachte einen Moment lang nach. Es war alles plau sibel bis auf einen Punkt. «Und er – Gutiérrez – hat Pater Calderón ein Geschäft vorgeschlagen. Sein Schweigen gegen die Photographien. Pater Calderón hat sich dazu bereit erklärt, und Gutiérrez hat als Treffpunkt den Conte Pescaor vorgeschlagen. Aber warum eine Trattoria? Warum einen öffentlichen Ort? Sie haben beide im Danieli gewohnt. Sie hätten sich in einem der Zimmer treffen können.»
Beust lächelte. «Calderón wollte Gutiérrez töten. Und
zwar vor Zeugen. Weil kein Priester, der einen Mord begeht, sich dabei einen schwarzen Mantel anzieht und einen runden Hut aufsetzt. Für einen mordenden Priester ist die Soutane die perfekte Tarnung. Er konnte sich also ziemlich sicher sein, dass Sie in dieser Richtung nicht ermitteln würden.»
Was insofern nicht stimmte, als Bossi genau dieselbe
Überlegung angestellt hatte. Aber das sagte Tron nicht. Er fragte: «Und nun?»
Beust sah Tron an. «Die Photographien sind vermutlich
in der Wohnung in Canareggio.»
«Dann holen wir sie uns.»
Beust schüttelte den Kopf. «Ich will nicht nur die Photographien. Ich will die Photographien und ein Geständnis.
Deshalb wird González
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