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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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wirst ihn mögen.»
    Er sah sie einen Augenblick lang forschend an. «Was ist er für ein Mensch – dein Commissario?»
    Die Principessa musste unwillkürlich lachen. Genau dasselbe hatte er sie gefragt, als sie sich vor vier Jahren völlig unerwartet im Salon der Herzogin von Berry begegnet  waren und sie ihm erzählt hatte, dass sie die Gattin des Fürsten von Montalcino geworden war. Was ist das für ein Mensch – dieser Fürst von Montalcino? Er wollte einen knappen Satz, der die Dinge auf den Punkt brachte.
    Den Fürsten zu beschreiben war leicht gewesen – seine  hoch gewachsene Gestalt, seine breiten Schultern und sein Cäsarenkopf hatten ihm diese ungeheure Präsenz verliehen, die sie anfangs fast erschreckt hatte. Der Fürst war dominant.
    Damit war nicht alles gesagt, aber fast alles. Aber Tron?
    Konnte man Tron als dominant bezeichnen? Nein, entschied die Principessa – konnte man nicht. Tron war eher …  unauffällig. Und plötzlich sah sie ihn vor sich: in seinem alten Gehrock, den er von seinem Vater geerbt hatte, seinem Zylinder mit der abgewetzten Stelle, wo er ihn anfasste, um ihn höflich zu lüften. Wobei es für ihn – das fiel ihr jetzt auf – keinen Unterschied machte, ob er einen Herzog grüßte oder einen Dienstboten.
    «Tron hat Respekt vor anderen Menschen», sagte sie,  ohne nachzudenken.
    Er schob ein kleines Aschehäufchen auf der Untertasse,  die er als Aschenbecher benutzt hatte, zu einer Pyramide zusammen. Ein paar Augenblicke verstrichen. Dann fragte er, den Blick immer noch auf die Asche gerichtet: «Du liebst ihn?»
    Sie nickte.
    «Wann werdet ihr heiraten?»
    «Vermutlich irgendwann im Frühling.»
    «Da bin ich wieder in Mexiko», sagte er.
    Die Principessa erhob sich, und er stand ebenfalls auf.
    «Wo wirst du wohnen, wenn du dein Problem gelöst hast  und diese Maskerade beenden kannst?», fragte sie.
    «Im Danieli. »

    Die Principessa hob die Augenbrauen. «Ein teures Hotel.
    Wer bezahlt für dich?»
    «Gutiérrez de Estrada.» Sein Stimme klang verdrossen.
    «Du müsstest ihm auf Schloss Miramar begegnet sein.»
    Die Principessa nickte. «Er macht kein Hehl daraus, dass er Benito Juárez verabscheut.»
    «Die Juaristas haben seine Plantagen konfisziert.»
    «Arm scheint er trotzdem nicht zu sein.»
    «Estrada ist immer noch der reichste Mann Mexikos.»
    «Du magst ihn nicht?»
    «Wir müssen zusammenarbeiten. Da spielt es keine Rolle, ob ich ihn mag.»
    Mittlerweile standen sie wieder im Flur. Durch die halb geöffnete Tür fiel mattes Herbstlicht in das Haus und machte den Staub auf dem Fußboden sichtbar.
    «Vermutlich sollte niemand von unserer Begegnung er fahren», sagte die Principessa.
    «Ich hätte dich sonst nicht hierher gebeten.»
    «Gilt das auch für Tron?»
    «Nein.» Er lächelte, als er zur Seite trat und ihr die Tür aufhielt. «Ich bin mir sicher, dass ich ihm ohnehin bald begegnen werde.»

6

    Der Hof hinter dem Ramo degli Veronesi war keiner der  venezianischen Innenhöfe, die den Besucher durch den  Anblick einer heiteren Außentreppe oder eines marmornen Brunnens entzückten. Er war eine trostlose, dunkle Kiste,  kaum größer als die sala im Palazzo Tron, eingefasst von Fassaden mit abblätterndem Putz und nachlässig zusammengekehrtem Abfall in den Ecken. Der Nieselregen, der wieder eingesetzt hatte und sich, mit den Rußpartikeln der Luft vermischt, als schmierige Schicht über die Stadt legte, machte alles noch deprimierender.
    Ein krummbeiniger Hund mit dem niederträchtigen  Ausdruck eines Schurken kam knurrend auf sie zugelaufen, als Tron und Sergente Bossi den sottoportego durchschritten hatten. Vor einer offenen Tür auf der anderen Seite des Hofes stand ein halbes Dutzend Anwohner, deren Gespräch beim Anblick Trons und seines uniformierten Begleiters erstarb. Sie warfen Tron und Bossi misstrauische Blicke zu  – so als wären Tron und Bossi die Mörder, die es ja be kanntlich immer an den Tatort zurückzieht.
    Tron wäre fast über eine Steinschwelle gestolpert, die  den Hof und den Flur hinter der offenen Tür wie eine Süll trennte. Am Ende des Flurs war eine Tür zu sehen, die einen Spaltbreit aufstand. Ein dünner Lichtschein fiel auf die Steinplatten des Fußbodens, und Tron meinte das leise Plätschern von Wellen zu hören, die gegen Mauern schlugen.
    Er vermutete, dass es sich bei der Tür um ein Wassertor handelte, war sich aber nicht sicher. «Wohin führt diese Tür, Sergente?», erkundigte er sich

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