Venezianische Verlobung
und schon das Gefühl, mit dem Löffel in die schaumige Masse zu dringen, war unbeschreiblich.
Tron fragte sich, ob er vielleicht eine Rezeptkolumne in den Emporio della Poesia aufnehmen sollte. Nachdem Spaur seine Gedichte dort veröffentlicht hatte, würde das Renommee der Zeitschrift ohnehin ruiniert sein.
«Wirst du dich bewaffnen?»
Tron schüttelte den Kopf. «Warum sollte ich?»
Die Augen der Principessa verengten sich. «Immerhin ist der Mann ein Mörder.»
«Er hat nicht den geringsten Grund, mich ebenfalls zu töten. Er wird mir die Photographien zeigen, das Geld zählen und sich dann aus dem Staub machen.»
«Mann gegen Mann also.» Jetzt klang die Principessa so, als würde sie sich ernsthaft Sorgen machen.
«Das hört sich viel zu dramatisch an.»Tron lächelte.
Aber die Principessa erwiderte sein Lächeln nicht. «Es gefällt mir nicht, Tron. Ich kann nicht sagen, warum es mir nicht gefällt, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei.» Dann fügte sie übergangslos hinzu: «Übrigens war Alessandro bei mir.»
«Alessandro war bei dir?»
Die Principessa nickte. «Gestern Mittag. Er ist auf meine Bitte hin zum Essen geblieben und hat den Speisenaufzug bewundert.» Mit einem Seitenblick auf Moussada (Massouda?) setzte sie hinzu: «Und den Stil meines Personals.» Den er, Tron, bekanntlich weniger bewunderte, wollte sie damit zum Ausdruck bringen.
Tron lächelte. «Alessandro träumt seit langem von einem Speisenaufzug. Was hat er gewollt?»
«Mir den Schal bringen, den ich bei euch vergessen hatte. Aber das war nur ein Vorwand.»
«Wofür?»
«Ich glaube, dass die Contessa ihn geschickt hat. Er hat es zwar nicht direkt gesagt, aber ich hatte den Eindruck. Er und die Contessa haben Angst, du könntest nicht mehr im Palazzo Tron wohnen wollen, wenn wir geheiratet haben.»
«Darüber denke ich nach, wenn es so weit ist.»
«Die Contessa denkt bereits jetzt darüber nach. Und was Alessandro mir gesagt hat, war bemerkenswert. Sie könnte sich vorstellen, in den Seitenflügel zu ziehen.»
Tron nickte. «Ich weiß. Aber ich war mir nicht ganz sicher, ob ich diesen Vorschlag zur Sprache bringen sollte.»
«Warum nicht?»
«Weil es bedeuten würde, dass ich dich mit der Heirat zwinge, ein Vermögen in den Palazzo Tron zu stecken», sagte Tron.
«Interessant. Du willst mich nicht heiraten, weil ich Geld habe und …»
Tron unterbrach die Principessa. «Und du wolltest mich nicht heiraten, weil du befürchtet hast, bald kein Geld mehr zu haben. Was aus meiner Sicht die Dinge vereinfachen würde.»
«Und sie aus meiner Sicht verkomplizieren würde. Aber ich kann dir ein Geschäft vorschlagen. Du hattest mal erwähnt, dass ihr euch früher mit Glasfabrikation beschäftigt habt.»
Tron zuckte die Achseln. «Das ist lange her. Ich glaube, wir haben irgendwann im quattrocento damit aufgehört.»
«Also vor der Entdeckung Amerikas.»
«So ungefähr. Aber mein Vater erwähnte gelegentlich, dass wir nicht besonders lange im Glasgeschäft waren.»
«Was heißt nicht besonders lange bei euch?»
«Vielleicht hundert Jahre.»
«Und das nennst du nicht besonders lange! »
Tron gähnte. «Die Trons gibt es seit tausend Jahren.
Daran gemessen sind hundert Jahre nicht sehr lange. Warum interessierst du dich dafür?»
«Dann würde», sagte die Principessa bedächtig, «eure Glasproduktion etwa ein halbes Jahrtausend existieren, wenn ihr sie damals nicht eingestellt hättet.» Sie lehnte sich über den Tisch und fixierte ihn mit ihren grünen Augen.
«Ist dir klar, dass so ein alter Markenname Gold wert ist? Wir wären die älteste Glasfabrik Venedigs.» Eine Vorstellung, von der die Principessa offenbar fasziniert war. Sie schwieg und schien über etwas nachzudenken. Dann fragte sie: «Wie sind die Trons zu ihrem Geld gekommen?»
Geld? Tron musste unwillkürlich lächeln. «Du meinst ursprünglich?»
Die Principessa nickte ungeduldig. «Ja, natürlich.»
Tron überlegte einen Moment. «Wie alle alten Familien. Durch den Handel mit Salz, Glas und Gewürzen. Safran, Pfeffer, Zimt. Seide aus China. Später Wein von Zypern und Getreide aus der Terra Ferma.» Und durch die Plünderung Konstantinopels im Jahre des Herrn 1204, fiel ihm noch ein – aber das sagte er nicht.
«Und was spricht dagegen, wieder an die alten Traditionen anzuknüpfen?»
Gute Idee, dachte Tron. Am besten fangen wir mit der Plünderung Wiens an. Er räusperte sich. «Wir sind ein wenig aus der
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