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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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Ich habe ihm nämlich erzählt, dass Chrystal Palace in diesem Jahr keine Nachwuchsspieler mehr aufnimmt. Sparmaßnahmen, erklärte ich - die alte Leier. Es hat insofern funktioniert, als ich die Schuld von mir ablenken konnte. Thomas zog sich grübelnd in sein Zimmer zurück und erschien heute Morgen in seinem Fußballtrikot.
    »Palace ist eh ein Scheißverein«, bemerkte er vorhin leise, auf dem Weg zum Park, »aber es ist mir egal, für wen ich spiele. Ich gehe auch zu einem noch schlechteren Verein.«
    Es tat mir im Herzen weh zu hören, wie verzweifelt mein Sohn sich wünscht, bei einem großen Verein zu spielen. Und ich kam mir so erbärmlich vor, weil ich ihn angelogen hatte, dass ich mir geschworen habe, ihm ab jetzt bei jedem Training zuzuschauen, auch auf die Gefahr hin, dass man hinterher meinen festgefrorenen Körper mit einem Eispickel von der Parkbank hauen muss.
    Thomas ist gerade am Ball. Er dribbelt ihn an ein paar Spielern vorbei, wobei er selbst über seine Leichtfüßigkeit zu staunen scheint, als würde er eben erst sein Talent entdecken. Er hebt den Kopf und flankt den Ball zu einem Mannschaftskameraden, aber ausnahmsweise wird der Pass von einem Gegenspieler abgefangen. Im Nu ändert sich Thomas’ Körpersprache, von locker-geschmeidig zu aggressiv-angespannt. Seine ungezwungene Spielfreude von eben ist verflogen. Typisch Thomas ... Ich beobachte, wie er über das Spielfeld läuft, mit hochgezogenen Schultern, wütend und ernst. Bis auf ein paar Haare mehr auf dem Kopf hat er sich seit seiner Geburt kaum verändert.
    Aber die Welt kann sich von einem Augenblick auf den anderen verändern, nicht wahr? Ein terroristischer Bombenanschlag, sechs Richtige im Lotto, oder Thomas rollt plötzlich der Ball vor die Füße, und er lupft ihn instinktiv über den Torwart.
    Mit verlegenem Lächeln nimmt er die Glückwünsche seiner Mannschaftskameraden entgegen, ohne seine Mutter zu beachten, die wie eine Wahnsinnige jubelt und klatscht.
    Ich überlege, ins Café zu flüchten, um mich dort mit einem Kaffee aufzuwärmen. Obwohl heute viele Mütter da sind, kenne ich keine davon näher. Schade, dass Natasha nicht hier ist. Ich könnte eine kleine Aufmunterung von ihr gut gebrauchen. Oder von Sureya. Bei der erst einmal eine dicke Entschuldigung fällig ist. Ich fasse einen Entschluss. Gleich nach dem Fußballspiel werde ich Sureya spontan besuchen. Ich werde ihr sagen, wie leid mir mein Verhalten tut und dass ich sie sehr lieb habe. Vielleicht lässt sie es ja als Entschuldigung gelten, dass ich so eine beschissene Woche hinter mir habe. Das soll sie selbst entscheiden. Denn ich möchte endlich ehrlich sein und ihr die Wahrheit sagen. Und wenn ich das hoffentlich rasch hinter mich gebracht habe, können wir uns wieder voll und ganz auf Sureyas Schwangerschaft konzentrieren. Das hätte ich schon viel früher tun sollen.
    Es ist gut, dass heute ein eisiger Wind weht. Vielleicht bläst er ja den Nebel aus meinem Kopf – der natürlich auf zu viel Alkohol zurückzuführen ist. Mag ja sein, dass ich den Kindern etwas vormachen kann – Mummy hat Kopfschmerzen –, aber ich kann mich nicht länger selbst verarschen. Obwohl ich mir dieses Gespräch mit Natasha nie gewünscht habe, muss ich seitdem immer wieder daran denken.
    Habe ich ein Alkoholproblem?
    Bevor die Kinder geboren waren, gingen Richard und ich regelmäßig nach Feierabend einen trinken. Menschen, die den ganzen Tag hart arbeiten, haben sich abends einen Drink verdient. Und es war sozusagen Pflicht, am Freitagabend mit unseren Freunden auszugehen und uns die Kante zu geben. Und dann das ganze Wochenende durchzufeiern. Ein geselliges Leben führen hieß, jung und unbeschwert zu sein.
    Doch an welchem Punkt trinkt man nicht mehr aus Geselligkeit, sondern um sein Leben auszublenden?
    Ob mein Vater sich jemals diese Frage gestellt hat? Er hat nur dann keinen Alkohol zum Frühstück getrunken, wenn er noch vom Abend zuvor betrunken war. Er hatte keine Arbeit, mit der er sich hätte identifizieren können. Er war, mit einem Wort, Alkoholiker.
    Mum hielt es mit ihm bis zu dem Tag vor meinem dreizehnten Geburtstag aus. Sie beauftragte ihn, eine Geburtstagstorte zu kaufen. Normalerweise vertraute sie ihm kein Geld an, aber sie hatte an dem Tag eine Doppelschicht – sie arbeitete damals in der Kantine des Homerton Hospital.
    Ich habe nie gehört, dass meine Mutter gegenüber meinem Vater jemals laut geworden ist. Wenn sie von der Arbeit kam und ihn fast immer

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