Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
verfluchte er sich selbst.
Doch selbst jetzt war sie wieder da. Die unerklärliche Faszination, die Judith auf ihn ausübte und der er sich nicht entziehen konnte. Und je stärker er es versuchte, desto mehr übernahm der primitive Teil seines Selbst die Kontrolle.
Judith starrte auf die weiße Seite und versuchte, sich auf den Text zu konzentrieren. Inzwischen hatte sie ihn mehrmals gelesen und obwohl die Worte immer dieselben waren, schien sich mit jedem Mal Lesen ihre Aussage zu verändern – nicht zu ihren Gunsten.
Sie konnte spüren, wie die Kopfschmerzen erneut einsetzten und das Pochen hinter ihren Schläfen begann.
Sie sah auf. Der Vampir hatte sich nicht bewegt, sah sie nur mit dieser erdrückenden Determination an, die auch in den Worten ihres Vaters mitgeschwungen war. Beides machte sie wütend.
Sie reichte ihm den Brief zurück, sorgsam darauf bedacht, das untote Wesen nicht zu berühren.
»Was soll das bedeuten?« Sie gab sich keine Mühe, die Schärfe aus ihrer Stimme zu verbannen.
»Magnus hat geplant, dass du meine Geisel wirst – oder meine Geliebte.« So wie der überhebliche Blutsauger das Wort Geliebte betonte, beinahe ausspie, fand er den Gedanken ihres Vaters lachhaft.
Ein Umstand, der sie erneut wütend machte. Nur weil er erschreckend gutaussah und sicherlich nahezu alle Frauen haben konnte, die er wollte, musste er ihr nicht so deutlich zu verstehen geben, was er von ihr hielt. Die Missgeburt eines anderen Vampirs.
Joel beobachtete wie Judith höhnisch schnaubte. Die Geste hob ihren Brustkorb und lenkte seinen Blick auf ihren Busen. Einen kleinen, festen Busen, der keinerlei Schmuck nötig hatte, keinen unterstützenden BH, und der doch von einer Weiblichkeit zeugte, die Judith noch nicht einmal bemerkt zu haben schien.
»Deine Geliebte?!« Judith musste sich keine Mühe geben, ihren Unglauben über die Worte des Vampirs auszudrücken.
»Ja, lustig, nicht wahr?!« Joel streute diese Worte lässig in das Gespräch. Er konnte Judiths Wut spüren und nachvollziehen. Anscheinend mochte sie es ebenso wenig wie er, als Spielfigur benutzt zu werden.
»Kein bisschen lustig!« Sie maß ihn mit einem Blick, der ihn wütend machte, auch wenn er versuchte, das Gefühl zu leugnen.
»Wieso? Nicht zum Vögeln aufgelegt?« Joel wunderte sich über seine eigene Ausdrucksweise. Sie passte nicht zu ihm. Ebenso wenig wie der grobe Tonfall.
»Mit dir?« Judith konnte nicht anders, als abermals eine Augenbraue höhnisch nach oben zu ziehen. Der herablassende Ton des Vampirs gab ihr den Rest, obwohl sie wusste, dass sie ihn dadurch noch mehr provozierte.
»Ah!« Joel schlenderte näher. »Mit jedem anderen – aber nicht mit mir«, vermutete er und die Wut, die Joel über Magnus‘ Plan empfand, erstreckte sich plötzlich auch auf dessen Tochter.
Judith trat einen Schritt zurück. Wie zum Teufel war sie bloß in diese Situation gekommen? Sie hatte sich vorgenommen, vernünftig zu bleiben, gelassen und ruhig – und sich unter keinen Umständen provozieren zu lassen. Aber ihr Vater kannte sie zu gut! Er hatte gewusst, dass sie seinen Brief und die Selbstverständlichkeit, mit der er sie zur Geliebten eines Wildfremden auserkoren hatte, nicht auf sich würde sitzen lassen können. Und dass ihre Wut den besagten Wildfremden reizen würde.
Kurz lag ihr eine Entschuldigung auf den Lippen, doch bei dem Gesichtsausdruck des Vampirs versagte ihr die Sprache. Mit einer Gewissheit, die ihren Ursprung in einem fremden, magischen Teil ihres Bewusstseins hatte, war ihr klar, dass sie ihn nicht würde stoppen können. Nichts, was sie sagte oder tat, würde ihn noch aufhalten. Selbst der kleine Tisch zwischen ihnen war ein Witz im Vergleich zu seiner bezwingenden Stärke.
Trotzdem griff sie hinter sich und nahm den erstbesten Gegenstand, den ihre Finger berührten. Das erste Buch verfehlte Joel nur knapp, ebenso das zweite.
»Verdammt«, fluchte er und wehrte ein drittes Buch ab. »Hör auf!«
Das nächste Buch streifte ihn am Kopf. Sie hatte es so schnell geworfen, dass er es nicht hatte kommen sehen. Joel zögerte. Einen Moment, den Judith nutzte, um aus der Ecke der Sitzgruppe zu fliehen, sie zu umrunden und nach einer der schwereren Glaskugeln zu greifen, die ihr Regal zierten. Sie hatte sich bewegt wie ein Vampir. Schnell und zielgerichtet und für das normale Auge kaum wahrnehmbar. Als die Glaskugel in derselben Geschwindigkeit angeflogen kam wie die Bücher, hatte Joel genug.
Bevor Judith seine
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